Der Wanderchirurg
auf.« Und so war es. Kurz darauf erschien der Magier, wie immer schwarz gekleidet, in Begleitung eines Jünglings, der nur ein hautenges, rotes Trikot mit spitzenbesetzter Halskrause trug. »Das ist Antonio«, flüsterte der Magister aufgeregt.
»Oder Lupo«, entgegnete Vitus trocken. Zerrutti verbeugte sich tief. Sein Assistent tat es ihm gleich. Der Magier winkte, woraufhin sich aus der Wagenburg ein Gefährt löste, das langsam nach vorn kutschiert wurde. Es war ein Wagen mit flachem Aufbau, nicht sehr groß und nach oben offen. Seine Plattform war durch die Seitenwände nicht einsehbar. Auf dem Bock saß Maja, die auf ein Handzeichen Zerruttis das Pferd zum Stehen brachte. Der Magier bückte sich zur Erde, zog eine Art Falltür hoch und bedeutete dem rot gekleideten Jüngling, in die darunter befindliche Grube zu steigen.
»Zerrutti muss irgendwann im Laufe des Tages das Loch gegraben haben«, flüsterte der Magister Vitus zu, »hast du was davon bemerkt?«
»Nein, aber das Loch liegt genau an der Stelle, wo sonst das Podest steht. Vielleicht haben Zerrutti und die Zwillinge heute gegraben, während über ihnen unser gemeinsamer Freund die Leute auf seine Art kurierte. Auf jeden Fall haben sie ganze Arbeit geleistet, denn von dem Aushub ist nichts mehr zu sehen.«
Zerrutti hatte mittlerweile die Falltür geschlossen, trat zurück und winkte den Wagen weiter heran. Maja schnalzte mit der Zunge, das Pferd zog wieder an. Als eines der Vorderräder direkt auf der Falltür stand, brachte sie das Gefährt zum Stehen. Der Magier schloss wie in Trance die Augen und breitete die Arme weit aus. Eine halbe Minute verharrte er so, dann plötzlich klatschte er kraftvoll in die Hände. Fast zeitgleich gab es einen ohrenbetäubenden Knall, gefolgt von einem grellen Blitz, der unter dem Wagen hervorschoss. Die Menge rieb sich die Augen und erkannte zu ihrem grenzenlosen Erstaunen, dass der Assistent mit dem roten Trikot jetzt auf der Plattform des Wagens stand. Lächelnd winkte er dem Publikum zu, dann sprang er mit einer geschmeidigen Bewegung herab. Tosender Beifall setzte ein.
Zerrutti verneigte sich mehrmals und kletterte dann zu seiner Partnerin auf den Bock. Sie winkten dem Publikum zu, während sich der Wagen entfernte.
Inzwischen war Arturo in seinem Präsentationskostüm wieder erschienen und hatte sich genau auf die Falltür gestellt.
»Hochverehrtes Publikum! Senoras und Senores!
Hiermit endet unsere Vorstellung. Die Artistas unicos hoffen, dass es allen gefallen hat, und wünschen noch einen angenehmen Abend. Wem unsere Darbietungen ein Scherflein wert sind, den werden wir gern in unsere Gebete einschließen. Jede Gabe ist willkommen, ob in Naturalien oder in klingender Münze, ganz wie's beliebt, hasta la vista, Freunde!«
Er winkte fröhlich und riss sich dann schwungvoll seinen großen Hut vom Kopf, den er an den Assistenten im roten Trikot weiterreichte. Der nahm ihn und begann damit herumzugehen. Die Leute gaben gern und reichlich.
»Den Trick mit der durchsägten Maja habe ich noch immer nicht durchschaut«, sagte der Magister klatschend,
»aber Zerruttis letzte Nummer war für unsereinen klar: Antonio sitzt nach wie vor in der Grube, und Lupo sammelt das Geld ein.«
»Oder umgekehrt«, grinste Vitus.
Am anderen Morgen herrschte im Gegensatz zum vorangegangenen Tag trübes Wetter. Es regnete zwar nur leicht, aber ohne Unterbrechung. Trotzdem warteten bereits viele Menschen auf die Behandlungsstunde von Bombastus Sanussus. Vitus saß noch in seinem Wagen und hatte Pater Thomas' Werk De morbis aufgeschlagen. Er wollte nachlesen, was die weisen Ärzte bei einem Knoten in der Brust empfahlen. Fast alle vertraten die Meinung, dass eine solche Geschwulst nicht äußerlich behandelbar war, sondern operiert werden musste. Quae medicamenta-nun sanant, ferrum sanat, »was die Arzneien nicht heilen, heilt das Messer«, las er bei Hippokrates. Der große Dioskurides, der als Arzt unter den Cäsaren Claudio und Nero gedient hatte, schrieb, dass ein Knoten in der Brust um so eher heilbar sei, je früher er entfernt werde. Wobei er darauf hinwies, dass während der Operation die Geschwulst auf keinen Fall verletzt werden dürfe, sie müsse vielmehr weiträumig aus dem Gewebe herausgeschnitten werden. Vitus' Blick fiel nach draußen, denn die Menge begann unruhig zu werden.
Der Doctorus Bombastus Sanussus nahte und erklomm mit säuerlicher Miene das Holzgerüst. Die Witterung behagte ihm nicht. Immerhin, so
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