Der Wanderchirurg
Gesundheit und das Wohlergehen unserer erlauchten Königin, auf Ihre Majestät Elisabeth I. von England, zu trinken.« Taggart hob die inzwischen von Enano gefüllten silbernen Pokale. »Sie lebe lang und friedlich bis an das Ende Ihrer Tage.«
Er nahm einen gehörigen Schluck. »Und wenn's nach mir ginge, auch unverheiratet. Philipp II., dieser schwermütig dreinblickende Dauerbeter, sollte sich lieber eine feurige andalusische Hure greifen, nicht wahr, Gentlemen?« Fernandez schluckte. Er war es nicht gewohnt, dass man so über seinen König sprach. Doch das, was Taggart gesagt hatte, war nicht ganz von der Hand zu weisen.
»Aye, aye, Sir!«, nickte er deshalb tapfer.
»Auf das Wohl Ihrer Majestät!« Vitus, der nur einen sehr kleinen Schluck genommen hatte, setzte das Glas vorsichtig auf dem Zehn-Personen-Tisch ab.
»Es lebe Elisabeth!«, sagte der Zwerg schnörkellos, ganz gegen seine sonstige Art.
»Ihr habt mich rufen lassen, Sir?« Tipperton schlüpfte hinter dem Hünen in die Kajüte. Er war ein verweichlichter, schmächtiger Mann, so schmächtig, dass er erst sichtbar wurde, nachdem John Fox schon in der Mitte des Raums stand.
»Das habe ich allerdings.« Taggart hasste leere Floskeln. »Wenn es nicht so wäre, wäret Ihr nicht hier, stimmt's?«
»Sehr wohl, Sir. Aye, aye.« Tipperton hatte etwas Butlerhaftes in seinen Bewegungen. Er verbeugte sich tief und schritt gemessen auf den Kartentisch zu, um dort seine Schreibutensilien abzulegen und die Offiziersliste auszurollen. Es sah aus, als striche er ein Hasenfell glatt.
»Dann tragt die Herren Vitus von Campodios, Fernandez, äh, wie ist Euer Vorname, Mister Fernandez?«
»Manuel, Sir.«
»Manuel Fernandez und Ramiro Garcia in die Offiziersliste ein.« Er nannte die Funktionen der einzelnen Männer und die ihnen zustehenden Beuteanteile nach Beendigung der Fahrt.
Tippertons Feder kratzte eifrig über das Papier. Ab und zu landete ein Klecks zwischen den Buchstaben, was Taggart stirnrunzelnd beobachtete
»Wenn Ihr fertig seid, lasst die beiden Herren unterschreiben, der Magister Garcia mag es später nachholen.« Taggart war bereits dabei, die Gläser neu zu füllen. »Und verkleckst das Datum nicht: Heute ist Sonnabend, der Abend vor dem Sonntag. Wir schreiben den 27. Oktober im Jahre des Herrn 1576.«
»Aye, aye, Sir.« Tipperton nahm eine neue Feder. Das Fenster in der Kammer von Doktor Jeremy Hall war winzig klein und ließ kaum Tageslicht herein. Nur ein paar verirrte Strahlen der Spätnachmittagssonne streiften das Gesicht des Arztes, der schmerzverkrümmt in seiner Koje lag. Mit seinen zweiundsechzig Jahren war er in einer Zeit, in der die Menschen durchschnittlich kaum fünfunddreißig wurden, ein uralter Mann.
»Mein Name ist Vitus von Campodios, Sir«, stellte Vitus sich vor. Nach dem Gespräch bei Kapitän Taggart und einer kurzen Mahlzeit in der Kombüse des Kochs hatte er in Begleitung des Magisters und des Zwergs den alten Schiffsarzt aufgesucht. »Ich bin Arzt und Cirurgicus wie Ihr.« Er wies auf seine Begleiter. »Dies ist mein Assistent, der Magister Ramiro Garcia, und dies mein Freund Enano, der Zwerg.«
Die beiden verbeugten sich. Der Magister blinzelte kurzsichtig, denn seine Berylle waren mit der Cargada, untergegangen. Hall nickte matt.
»Kapitän Taggart hat den Magister und mich Eurer Kammer zugeteilt, Sir. Ich hoffe, Ihr habt nichts dagegen, wenn wir in diesem Raum schlafen?«
»Natür ... lich nicht, mein ... Jun ... ge.« Hall sprach abgehackt vor Schmerzen, mit krächzender Stimme. Er hob grüßend die Hand, und die Ursache seiner Qualen wurde sichtbar: Die Gelenke seiner Finger waren knotig verdickt, die Hände selbst klauenartig gekrümmt wie die Fänge eines Raubvogels.
»Erlaubt, dass ich Euch untersuche.« Behutsam nahm Vitus die Hände des Kranken und zog sie ins Licht. Die Knoten waren rot, dick und von gummiartiger Beschaffenheit. Schon die leiseste Berührung ließ den alten Arzt aufstöhnen. Vitus schlug die Decke zurück und besah sich die Füße. Sie sahen ähnlich wie die Hände aus. Besonders die Grundgelenke der großen Zehen waren angeschwollen. »Ihr habt wahrhaftig die Gicht, Doktor Hall, und Ihr habt Euch einen denkbar schlechten Ort ausgesucht, sie zu kurieren.« Hall winkte ab. »Hab seit ... zwanzig Jahren ... das Zipperlein ... werd's mit ins ... Grab neh ... men.« »Aber nein.« Vitus forschte in seiner Kiepe vergeblich nach Kräutern, die vom Salzwasser nicht verdorben waren.
»Sag
Weitere Kostenlose Bücher