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Der Wandermoerder

Der Wandermoerder

Titel: Der Wandermoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Douglas Starr
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verbrachte, nachdem er seinen Bürogeldschrank geleert hatte. Also stellten sie ihm eine Falle. Eyraud ging in Bompards Wohnung, wo er in einer Nische hinter dem Sofa einen Eisenring an der Decke befestigte. Er zog ein starkes Seil durch den Ring und verbarg die Vorrichtung und sich hinter einem Vorhang. Bompard ging danach in das Café, fand Gouffé und begann mit ihm zu flirten. Sie lockte ihn in ihre Wohnung, zog sich aus und schlüpfte in einen Morgenmantel. Dann zog sie ihn verführerisch an sich und legte ihm verspielt eine Schärpe um den Hals. Die Enden reichte sie unbemerkt Eyraud, der sie am Seil befestigte, mit aller Kraft daran zog und Gouffé erhängte, ehe dieser reagieren konnte. Zu ihrem Entsetzen mussten die beiden jedoch feststellen, dass dieser sein ganzes Geld nicht mehr bei sich hatte.
    Nun mussten sie die Leiche schnell loswerden. Sie packten sie in einen Leinensack, legten diesen in besagten Koffer und kauften Fahrkarten für den Zug nach Lyon am nächsten Morgen. In Lyon übernachten sie mit der Leiche in einer Pension, dann mieteten sie eine Pferdekutsche und fuhren aufs Land hinaus. Etwa 20 Kilometer südlich der Stadt warfen sie die Leiche einen Steilhang an der Rhone hinab. Auf der Rückfahrt kaufte Eyraud einen Hammer, schlug den Koffer in Stücke und ließ die Stücke im Wald zurück.
    Sie hatten wohl erwartet, dass die Leiche in den Fluss rollen, flussabwärts treiben und dann nie wieder gesehen werden würde. Stattdessen verfing sie sich aber in einem Busch, wurde zum Hauptbeweisstück und führte schließlich zu ihrer Verurteilung. In den Augen der Öffentlichkeit erschien die Lösung des Falls als wundersame Fügung, und Lacassagne galt als Zauberer, der dies bewirkt hatte. Nie zuvor hatte jemand eine solche Leistung vollbracht. Immerhin war die Leiche ja bereits seziert worden und hatte danach monatelang in einem Grab gelegen. »Es war kein Wunder«, erklärte Lacassagnes ehemaliger Schüler Locard. »Die moderne Wissenschaft glaubt nicht an Wunder.« Doch als Resultat einer Deduktion war es »ein Meisterwerk, das erstaunlichste in der Geschichte der Kriminalistik«.
    Nach einem aufsehenerregenden Prozess wurde Eyraud zum Tod und Bompard zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Am 4. Februar 1891 starb Eyraud unter der Guillotine. Tausende von Menschen versammelten sich, um einen Blick auf den berüchtigten Mörder zu werfen. Straßenverkäufer boten Miniaturkopien des Koffers an, in dem sich jeweils eine Spielzeugleiche aus Metall befand mit der Inschrift »Der Fall Gouffé«.

Drei Der erste Mord
    Als Joseph Vacher vor der Irrenanstalt stand, war er sich sicher, dass Gott ihn liebte. Wie sonst war zu erklären, dass er und Louise die Schüsse überlebt hatten, dass er die schreckliche Zeit in Dole heil hinter sich gebracht hatte und dass sein Sprung aus einem schnell fahrenden Zug ihn nicht umgebracht hatte? Auch in seiner Aussage und in seinen Briefen behauptete er später, nur Gott könne ihn nach Saint-Robert geführt haben, wo freundliche Ärzte ihn verstanden hätten, und nur Gott könne die Ärzte veranlasst haben, ihn schon nach drei Monaten freizulassen. Jetzt, nach seiner Entlassung aus der Anstalt, glaubte er fest daran, dass Gott ihm schon mitteilen würde, was er tun sollte.
    Zunächst aber musste er eine Unterkunft und Arbeit finden. In der Tasche hatte er 170 Francs – den Lohn für seine Feldarbeit in der Anstalt – sowie eine Bescheinigung über seine ehrenhafte Entlassung aus der Armee, ein Messer und eine Pistole. Er ging erst einmal auf Wanderschaft, übernahm Gelegenheitsarbeiten und schlief auf Heuböden. Als er nach ein paar Wochen dieses Leben satthatte, kaufte er eine Zugfahrkarte nach Menton, einer Kurstadt am Mittelmeer, wo seine Schwester Olympe im »Café Monte Carlo« arbeitete. Olympe hatte ihren jüngsten Bruder schon immer äußerst sonderbar gefunden. Sie erinnerte sich noch gut daran, dass er wie ein Wilder auf den Feldern herumgelaufen war und einen Knüppel geschwungen hatte.
    Dennoch war sie bereit, ihn aufzunehmen. In den nächsten Tagen blieb er meist in seinem Zimmer und schrieb. Manchmal kam er zu ihr und erzählte verstörende Geschichten über die Irrenanstalten. Nach einer Woche bat sie ihn höflich darum, sich eine andere Bleibe zu suchen – vielleicht wieder bei den Mönchen. Sie brachte ihn zum Bahnhof und kaufte ihm eine Fahrkarte nach Saint-Genis-Laval, wo er einst im Kloster gelebt hatte. Und sie versprach, ihm Geld zu schicken, wann

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