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Der Wandler

Der Wandler

Titel: Der Wandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dominik Spreigl
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gleichgültiger, fast schon unmenschlich anmutender Stimme weiter.
    »Erzähl mir von dem Kind.«
    »Sie meinen von dem Monster?«
    »Mmm.«
    Ich teilte diesem aufgeblasenen, selbstverliebten Gockel mit, was passiert war, ließ aber das ein oder andere aus.
    »Du darfst gehen.«
    Ich darf gehen?! Mehr fiel ihm dazu nicht ein? Ich hätte ihm genau so gut die Wettervorhersage der nächsten Tage mitteilen können. Der hat gar nicht zugehört. Es war ihm einfach egal. Gerade als ich mich lautstark über sein Verhalten beschweren wollte, ging der Monitor aus. Das war wohl auch besser so. Ich schluckte meine Wut hinunter, was mir enorm schwer fiel. Zum Abschied zeigte ich dem Monitor noch den Mittelfinger, erhob mich und ging.

    Zusammen mit Brutus verließ ich zu Fuß das Wartungsgebäude.
    Auf halbem Weg zurück zu meinem Zuhause, zog ich meine Schuhe aus. Die Straßen waren ab hier mit dichtem Gras bewachsen und ich wollte das weiche, saftige Grün unter meinen blanken Füßen spüren.
    Himmlisch. Sonnenschein auf meinem Gesicht, flauschiges Gras unter den Füßen und eine sanfte Brise in meinen Haaren. Für einen kurzen Augenblick vergaß ich, in was für einer traurigen Welt ich lebte und erfreute mich an den einfachen Dingen.
    Doch dann schob sich eine Wolke vor die Sonne und ich wurde wieder in die Realität zurück geholt. Die Hauswände zu beiden Seiten waren über und über mit Plakaten beklebt. Sie hatten in etwa alle den selben Wortlaut, »Meldet verdächtige Aktivitäten sofort den Wächtern«, »Dein bester Freund verhält sich merkwürdig? Melde ihn sofort den Wächtern!«...
    Die Stille in den Straßenschluchten wurde auch jetzt immer wieder von Durchsagen gestört.
    »Wir Wächter lieben Euch. Ihr seid unser Ein und Alles, unsere Zukunft. Gebt die Liebe zurück, die wir Wächter euch geben. Dient und sterbt für die gerechte Sache....«
    Ich konnte diesen Mist nicht mehr hören und versuchte ihn so gut wie möglich zu ignorieren. Was bei der Dauerbeschallung gar nicht leicht war.
    Von wegen, dass die Wächter uns liebten. Kinder, die gegen so Kleinigkeiten wie die nächtliche Ausgangssperre verstießen oder ihr Arbeitspensum nicht erfüllten, wurden in den Käfig gesperrt.
    Ja, richtig gehört, in einen Käfig. Wie wilde Tiere. Und für sie waren wir wohl auch nichts anderes. Der Käfig war ein eingezäuntes Gelände mitten im Camp. Dort musste man dann ohne Essen und Trinken, selbst bei eisigen Temperaturen, ohne Unterschlupf tagelang vor sich hin vegetieren. Der ein oder andere hatte es nicht überlebt. Die restlichen Insassen mussten dann mit ihren toten Kameraden bis zum Ende ihrer Strafe ausharren. Und es interessierte die Wächter einen feuchten Dreck. So sehr liebten sie uns. Verlogenes Pack!

    Hoch oben am Empire State Building oder besser gesagt an dem was davon noch vorhanden war, hatte ein Zeppelin angedockt.
    In diesem Moment entluden mit ziemlicher Sicherheit andere, zur Arbeit eingeteilte Kinder, den Frachtraum des gigantischen Luftschiffs.
    Ich machte den Hans guck in die Luft und glotzte gebannt nach oben. Vor dem strahlend blauen Himmel glich der Luftfrachter einem riesigen Fisch, der im Meer schwamm.
    Seine Metallhülle glänzte in der Sonne, wie frisch poliert, und reflektierte das Licht in alle Richtungen.
    Es war ein imposanter Anblick, von dem ich mich nur schwer losreißen konnte.
    Um nicht noch vor lauter in die Luft starren gegen einen Laternenmast zu rennen, wandte ich meinen Blick traurig ab. Jedes Mal, wenn ich ein solches Ungetüm zu sehen bekam, übermannte mich der Wunsch von hier zu fliehen und dieses grässliche Gefängnis für immer zu verlassen.

    Brutus tollte neben mir durch das Gras. Im Laufen riss er ganze Büschel heraus, nur um sie dann hoch in die Luft zu schleudern und beim Herunterfallen danach zu schnappen.
    Meine friedliche Träumerei wurde jäh unterbrochen.
    Mit einem Höllenlärm rauschten gepanzerte Fahrzeuge an mir vorbei in Richtung Haupttor. Darauf Gestalten in voller Kampfmontur. Sie sahen angespannt aus, soweit man das von emotionslosen Wächtern überhaupt sagen konnte. Kurz darauf sausten ein paar Drohnen im Tiefflug über und zwischen den Hochhäusern hindurch.
    Nachdenklich blickte ich ihnen hinterher.
    Dann riss ich meinen Blick los und marschierte weiter.
    Von denen würde ich mir meine gute Laune nicht verderben lassen.
    Sollten die doch ihren Krieg führen, der ging mich einen Dreck an.
    Ich hatte etwas zu feiern. Ich hatte das Zusammentreffen

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