Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
lassen.
Ich hatte Luc so lange von meinem Leben getrennt gehalten, wie ich nur irgend konnte, aber wenn ich auch nur die geringste Hoffnung haben wollte, mein Flachenleben weiterzuführen, war es an der Zeit, ihn vorzustellen. Stück für Stück. » Jemand, den ich kenne.«
» Du bist neben ihm hergegangen.«
» Ja, Mom. Wir sind gegangen. Das tun Leute ständig.«
» Und was hat Colin dazu zu sagen?«
Ich versuchte, meine Stimme am Zittern zu hindern. » Colin hat mir im Moment nur sehr wenig zu sagen. Ist dir das etwa noch nicht aufgefallen?«
Die dünne, harte Linie, zu der ihr Mund zusammengepresst war, wurde ein wenig weicher. » Ich hatte gehofft, es würde euch beiden gelingen, das alles zu klären.«
Nicht zum ersten Mal fragte ich mich, wie viel meine Mutter wirklich sah. Offensichtlich mehr, als ich ihr zutraute, wenn sie wusste, wie schlimm es zwischen Colin und mir stand. » Du hast gesagt, dass ich ihm etwas Freiraum lassen soll. Dad hat auch gesagt, dass ich ihm Freiraum lassen soll. Voilà– Freiraum!«
» Wir haben damit nicht gemeint, dass du dich mit irgendeinem fremden Jungen einlassen sollst. Colin eifersüchtig zu machen ist nicht das richtige Mittel, ihn zurückzugewinnen.«
» Ich versuche gar nicht, ihn eifersüchtig zu machen.« Wenn ich ihn wirklich hätte eifersüchtig machen wollen, hätte ich ihn denken lassen, dass sich zwischen Luc und mir weit mehr abgespielt hatte als in Wirklichkeit. » Und Luc ist kein fremder Junge.«
» Luc? So heißt er also? Woher kennst du ihn?«
Ich berührte die Narbe in meiner Handfläche. » Er war ein Freund von Verity.«
» Gütiger Himmel, Mo, ich dachte, das hätten wir hinter uns.« Sie presste sich eine Faust aufs Herz, und die Sorgenfältchen um ihren Mund wurden tiefer. Ich wusste, was sie dachte– nach Veritys Tod war ich an einen Ort verschwunden, an den sie mir nicht hatte folgen können, und voller Geheimnisse zurückgekehrt. Jetzt schlich ich mich wieder davon, ohne dass Colin mich hätte zurückholen können.
» Das wird nie hinter mir liegen, Mom.« Ganz gleich, welche Beweggründe ich mittlerweile hatte, alles hatte damals in dem Durchgang begonnen. Mein Lebensweg hatte sich binnen einem einzigen Augenblick verändert. Ich hatte mich verändert. Für immer.
» Ich sage ja nicht, dass du sie vergessen sollst, aber es ist nicht gesund, über die Vergangenheit nachzugrübeln. Nicht, wenn du über deine Zukunft nachdenken solltest.«
» Ich denke doch darüber nach«, erwiderte ich mit zusammengebissenen Zähnen. » Über nichts anderes.«
» Lass sie, Annie«, sagte mein Vater, der gerade aus dem Keller heraufkam. » Weshalb wollte Billy dich sehen?«
» Es ging um meine Arbeitsstunden«, sagte ich vorsichtig. » Er braucht mich morgen.«
Die finstere Miene meines Vaters machte deutlich, dass er verstand, von welcher Art Arbeit ich redete– und dass es ihm nicht recht war. » Und du hast zugestimmt?«
» Ich hatte keine andere Wahl.«
Meine Mutter ging verstimmt daran, das Abendessen vorzubereiten. » Solange es nicht deinen Schularbeiten in die Quere kommt. Ich will nicht, dass du denkst, dass deine Noten schlechter werden dürfen, nur weil du jetzt deinen Abschluss machst– oder wegen eines Jungen, Mo. Du bist zu vernünftig für so etwas.«
Bevor ich antworten konnte, klopfte es an der Tür. Meine Eltern tauschten einen Blick.
» Es ist ein bisschen spät für Besuch«, sagte meine Mutter. » Ist es Colin?«
» Das bezweifle ich«, murmelte ich und öffnete die Tür. » Hallo!«
Lena stand zitternd auf den Stufen vor der Haustür. » Störe ich?«
» Im Gegenteil.« Jede Entschuldigung war mir recht, um nicht mit meinen Eltern reden zu müssen. » Komm rein. Worum geht es?«
» Ich habe deine Hausaufgaben mitgebracht«, sagte sie. » Und dein Handy. Und gut entwickelte Neugier.«
» Lena, komm doch rein«, sagte meine Mutter. » Würdest du gern zum Essen bleiben? Ich habe reichlich gemacht.«
» Ich wünschte, das könnte ich«, erwiderte sie. » Vielleicht ein andermal?«
» Natürlich«, antwortete meine Mutter und stellte sich in die Tür, da sie uns ganz offensichtlich nicht allein plaudern lassen wollte.
» Komm mit nach oben«, sagte ich, » dann kannst du mir alles erzählen.«
» Ich hatte einen sehr seltsamen Tag«, erklärte sie, als ich die Tür hinter uns schloss. » Erstens fragt Constance Grey mich ständig, ob ich etwas von dir gehört habe, ob ich weiß, was mit dir nicht stimmt und wann du
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