Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
Schweigen. Ich lauschte dem Klang seines Atems, tief und regelmäßig, und ließ mich selbst entspannt in dem Rhythmus versinken. Eine Sekunde lang war alles wieder gut.
» Du und Luc, ihr habt euch heute mit den Quartoren getroffen.«
Ich schlug ruckartig die Augen auf, da ich eine Fülle von Fragen in seiner direkten Aussage hörte und nur bei wenigen wusste, wie ich sie beantworten sollte. » Wir haben einen Plan. Er wird dir nicht gefallen.«
» Das tut er nie. Macht es einen Unterschied, was ich sage?«
» Diesmal nicht.«
» Hat es das je getan?«
Ich atmete langsam aus. » Jeden Tag. Von der Minute an, in der wir uns begegnet sind.«
» Das ist immerhin etwas.« Die Verbindung wurde wieder still. » Es ist spät, Mo. Leg dich schlafen.«
Die erschöpfte Verabschiedung fühlte sich an wie eine Ohrfeige. » Klar. Tut mir leid, dass ich dich geweckt habe.« Aber ich legte nicht auf.
» War noch etwas?«, fragte er.
Meine Entschlossenheit geriet ins Wanken. Ich spürte ein schreckliches, hohles Gefühl in der Brust und hielt mir mit einer Faust den Mund zu, um mich daran zu hindern, um eine zweite Chance zu flehen.
» Mo.« Er hielt inne. » Was ist?«
» Nichts. Tut mir leid.«
» Bist du sicher?«
» Wir sehen uns morgen«, sagte ich leise, und diesmal legte ich auf.
Kapitel 32
Ich war nie die Art Mädchen gewesen, die sich so in Dramen hineinsteigerte, dass sie dafür die Schule versäumte. Aber das Drama in meinem Leben überstieg im Augenblick die üblichen Sorgen– was auf irgendeiner Party passiert war, die letzte Runde Beziehungs-Reise-nach-Jerusalem, wer über wen getratscht hatte–, also war es vielleicht verständlich, dass ich die Hausaufgaben, den Journalismuskurs und all meine anderen Verpflichtungen sausen ließ, ohne es auch nur zu bemerken.
Die Erkenntnis traf mich mit voller Wucht am nächsten Tag in der Schule, als ich keinen Laborbericht für Chemie geschrieben, keine Spanischübersetzung vorbereitet hatte und mindestens ein Drittel meiner Mathearbeit nicht lösen konnte. Vielleicht konnte ich es als Abschlaffen kurz vor dem Abschluss erklären oder als Nachwirkung meiner Krankheit. Aber es war einfach eine Tatsache, dass nichts an der Schule mir mehr so wichtig vorkam wie früher. Ich fand das Herumrätseln an Differenzialgleichungen und molaren Reaktionen immer noch spannend, da ich es genoss, mich durch Probleme hindurchzuarbeiten und zu sehen, wie sich vor meinen Augen eine elegante Lösung herausbildete. Beständig. Ordentlich. Tröstlich. Aber all das reichte nicht mehr aus, mich von den anderen Problemen in meinem Leben abzulenken.
Es verhinderte nicht, dass ich wie ein Kaninchen vor der Schlange erstarrte, als ich mich im Journalismuskurs in mein E-Mail-Postfach einloggte und eine Antwort von der Zulassungsstelle der NYU vorfand.
Lena rutschte auf den Platz neben mir, als es zur Pause klingelte. » Schlechte Nachrichten?«
» Ich weiß nicht.« Ich hielt die Maus fest umklammert, fühlte mich aber außerstande, auf die Nachricht zu klicken.
Lena starrte den Monitor an. » Du musst sie aufmachen«, sagte sie.
» Muss ich?«
» Mo. Es ist die NYU . Du wartest schon seit Jahren darauf.«
» Es spielt keine Rolle«, sagte ich mit zugeschnürter Kehle. » Ich sitze hier ohnehin fest.«
» Aber willst du es denn gar nicht wissen? Selbst wenn du ablehnen musst, möchtest du denn nicht erfahren…«
» Was ich hätte haben können?« Die Worte klangen bitter, sogar in meinen eigenen Ohren. » Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine tolle Idee ist.«
» Dann konzentrier dich auf das, was du haben kannst. Wie auch immer, öffne die verdammte E-Mail. Das Nichtwissen wird dich verrückt machen. Es wird dich blockieren.«
Ich rührte mich nicht.
» Willst du, dass ich sie für dich öffne?«
» Nein.« Langsam und gezielt schob ich den Cursor über den Bildschirm und klickte auf den Link.
» Sehr geehrte Miss Fitzgerald«, las ich mit zitternder Stimme vor, » wir freuen uns, Ihnen einen Platz an der New York University im Studiengang…«
Lena quietschte und umarmte mich stürmisch. » Du hast es geschafft! Bitte, bitte, bitte lass mich dabei sein, wenn du es Jill erzählst. Ich flehe dich an. Sie wird den Verstand verlieren!«
Ich sagte nichts.
Lena ließ mich los, und ihr strahlendes Millionen-Watt-Lächeln verblasste. » Du freust dich gar nicht. Du solltest dich freuen, Mo.«
Ich freute mich auch. Ich wollte Verity anrufen, auf und ab hüpfen, vor Lachen
Weitere Kostenlose Bücher