Der Weg in die Dunkelheit 3: Die Schöpferin (German Edition)
vertrautesten waren– Symbole, die ich von Niobe gelernt hatte–, und begann sie zu rezitieren. Trotz meiner stockenden, unbeholfenen Sprechweise wurden sie heller. Je mehr ich sprach, desto leichter fielen mir die Worte, und auch solche, die ich noch nie zuvor gehört hatte, strömten mir so mühelos wie Rosenkranzgebete von den Lippen, und mir wurde klar, dass die Magie mir die Sprache der Bögen schenkte. Ich verstand sie jetzt perfekt, mit demselben absoluten Verständnis, das ich im Zuge der Sturzflut und meiner Bindung an die Magie entwickelt hatte.
Aber diesmal bestand nicht die Gefahr, mich zu verlaufen, weil die Magie in mir war, tief in meiner Mitte, zugleich unendlich und begrenzt. Ich musste mich nicht in der Magie verlieren, um etwas zu erreichen, sondern mich einfach nur von ihr leiten lassen. Die Magie hatte meine Stimme gebraucht, um die Symbole zum Leben zu erwecken, klar, perfekt und strahlend. Meine Worte– die genaue Übersetzung der Bedürfnisse der Magie– schlugen Wurzeln und begannen zu wachsen. Während ich sprach, zog ich Kraft aus den Linien und ließ sie in die Symbole strömen. Stück für Stück erwachten sie. In jedem einzelnen pulsierte die Magie wie ein Herzschlag und verlieh ihm einen speziellen Farbton: Rubinrot für Feuer, Saphirblau für Wasser, Smaragdgrün für Erde, Gold für Luft.
Und etwas anderes.
Etwas Neues.
Etwas, das die Magie und ich gemeinsam erschaffen hatten.
Einige der Symbole– die kompliziertesten Formen von allen, diejenigen, die die Quartoren fasziniert anstarrten– glitzerten diamanthell und begannen sich zu bewegen und über die Tischplatte zu gleiten, nahmen Fahrt auf und übertrugen den Effekt wellenförmig auf die anderen Schriftzeichen, bis wir alle in einen Farbwirbel gebadet waren und die Schnitzereien viel zu schnell, um sie noch auseinanderzuhalten, über die Tischplatte huschten.
Lebendig. Das waren sie jetzt– ein Teil der Lebenskraft der Magie war im Tisch eingefangen, und auch ein Teil meiner Lebenskraft. Ich begriff, dass ich jetzt einen Platz am Tisch hatte. Die Magie und ihre Sprache hatten sich meiner Seele so tief eingeprägt wie dem Tisch. Für diesen Augenblick und diese Aufgabe war ich von Anfang an bestimmt gewesen.
Am Ende ließ der Drang zu singen nach, die Worte verklangen, und die Bewegungen der Symbole wurden weniger hektisch. Orla seufzte in einer Mischung aus Ehrfurcht und Entzücken, während Pascal und Sabine die Zeichen in Augenschein nahmen. Meine Beine begannen unter mir nachzugeben, und Luc führte mich zu einem der Quartorenstühle.
» Danke«, krächzte ich und rieb mir die Kehle.
» Du hast die Magie verändert«, sagte Dominic anklagend. » Schon wieder.«
Ich schüttelte den Kopf. Die Linien waren so stark und flexibel wie eh und je, die Quelle beständig und kraftvoll. Doch ich hatte genug geredet; Dominic konnte warten.
Pascal aber war schon dahintergekommen. » Du hast den Tisch neu geschaffen.«
Ich nickte.
» Dann ist der Quartorenrat wiederhergestellt«, sagte Dominic. » Das wurde auch Zeit.«
» Nicht wiederhergestellt«, erklärte Pascal und fing meinen Blick auf. » Neu geschaffen.«
Orla runzelte geziert die Stirn. » Wie der Tisch.«
Sabine war immer noch damit beschäftigt, die Symbole zu betrachten. » Einige davon entsprechen keinem bestimmten Haus«, sagte sie. » Sie stammen direkt aus der Quelle.«
» Die Quelle ist lebendig«, sagte ich. » Solange es Bögen gibt, habt ihr die Magie wie ein Kraftwerk behandelt, nicht wie ein Lebewesen. Das ist falsch. Sie will euch helfen, aber sie braucht eine Stimme. Die Magie braucht jemanden, der sie beschützt, weil ihr geschworen habt, euer jeweiliges Haus zu beschützen.«
Mir versagte die Stimme, und ich sah Pascal an, damit er fortfuhr.
» Sie hat Maura erwählt. Durch die Neuschöpfung des Tisches ist auch der Quartorenrat neu geschaffen worden. Die vier Häuser stellen nicht länger die einzigen Quartoren. Auch Maura hat nun einen Sitz eingenommen.«
» Sie hat darauf verzichtet«, protestierte Dominic. » Sie hat sich geweigert, als Matriarchin zu dienen. Und jetzt schafft sie sich eine eigene Stellung?«
» Hast du nicht aufgepasst?«, fragte Luc. » Sie könnte kein einzelnes Haus repräsentieren, weil sie Bindungen an alle von ihnen hat. Das hätte ein Ungleichgewicht bedeutet. Aber jetzt…«
» Jetzt ist ihr Sitz nicht an ein Haus, sondern an die Magie selbst gebunden«, sagte Sabine.
Ich sah einen nach dem anderen von
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