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Der Weg ins Dunkel

Der Weg ins Dunkel

Titel: Der Weg ins Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Woodhead
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davon nicht täuschen. Er kannte Jean-Lucs Humor und wusste, wie schnell er ins Gegenteil umschlagen konnte. Der Söldner war launisch und unberechenbar. Fabrice hob sein Glas und prostete ihm zu, ehe er es in einem Zug leerte. Normalerweise trank er so früh am Morgen noch nicht, aber in diesem Fall lohnte es sich, eine Ausnahme zu machen.
    «Gutes Zeug für gute Leute», sagte er. «Fliegen Sie wieder, oder haben Ihnen die Bastarde von der UN einen Strich durch die Rechnung gemacht?»
    «Ganz ehrlich, Fabrice, Sie sind einer der Besten.» Jean-Luc schwankte ein wenig. Er trank und hob sein Glas, das Fabrice sofort wieder füllte, obwohl Jean-Luc es kaum ruhig halten konnte. «Wenn einer Sie bescheißen will, brauchen Sie mir nur Bescheid zu sagen. Hören Sie, Fabrice? Außerdem haben Sie was gut bei mir, weil Sie uns letzte Nacht nicht rausgeschmissen haben.»
    «Kein Problem.»
    «Nein, ehrlich, Mann. Meine Jungs hier brauchten einen Drink. Dafür haben Sie was gut.» Plötzlich wurde Jean-Luc ernst. «Ich bleibe niemandem was schuldig, ist das klar?» Er wurde so wütend, dass er rot anlief. «Haben Sie gehört, was ich sage? Ich bleibe niemandem was schuldig!»
    «Ja, ich höre Sie gut», sagte Fabrice ganz ruhig. «Hier, noch ein Schluck für alle. Man soll die Feste feiern, wie sie fallen.»
    Er wandte sich an die anderen beiden, die nicht schliefen, sondern sich leise miteinander unterhielten. Es waren die Männer, die den Rooivalk flogen. Seit sie von ihrem letzten Einsatz zurückgekehrt waren, hatte der jüngere der beiden, Anton, kaum etwas anderes getan, als eine Zigarette nach der anderen zu rauchen und sich volllaufen zu lassen. Erst vor fünf Monaten war er als Schütze der Heckwaffen angeheuert worden, und mit seinen gerade mal sechsundzwanzig Jahren hatte er noch nicht viel Kampferfahrung. Er hatte kurzes schwarzes Haar, einen drahtigen Körper und sah jünger aus, als er war. Seine schmalen braunen Augen waren ständig in Bewegung. Obwohl er eine harte Ausbildung in Israel hinter sich hatte, wurde er als Sensibelchen verspottet, und meist saß er still in irgendeiner Ecke und beobachtete, was um ihn herum geschah. Irgendetwas musste jedoch passiert sein, denn in der letzten Nacht hatte er sich ganz anders verhalten.
    An der anderen Seite des Tisches saß der Mann, der als Jean-Lucs rechte Hand galt, Laurent. Er sprach leise und eindringlich, wie ein besorgter Vater, und legte Anton hin und wieder seinen massigen Arm um die Schultern. Mit einer Körpergröße von eins fünfundneunzig und einem Gewicht von hundertzwanzig Kilo war er ein Koloss. Er hatte dickes, lockig-schwarzes Haar, das an den Schläfen bereits grau wurde, und blassblaue Augen, deren Blick einen erzittern lassen konnte.
    Fabrice hatte sich einmal mit ihm unterhalten und bei der Gelegenheit festgestellt, dass Laurent zu den Menschen gehörte, die einem gleich bei der ersten Begegnung ihre ganze Lebensgeschichte erzählten. Er war auf der Farm seiner Eltern in der Karoo-Wüste aufgewachsen, bevor er zum südafrikanischen Militärdienst eingezogen und im Kampf gegen die Guerillas der SWAPO an der angolanischen Grenze eingesetzt wurde. Es war ein schmutziger kleiner Krieg gewesen, voll himmelschreiender Ungerechtigkeit und komplizierter politischer Interessenskonflikte, aber wenn man Laurent darüber reden hörte, war es eine glasklare Angelegenheit. Für ihn war alles schwarz oder weiß, dazwischen gab es nichts. Fabrice hatte schnell begriffen, dass Laurent alles in seinem Leben so handhabte. Alles lief nach Schema F, wie automatisiert. Man bekam Befehle. Man befolgte sie. Fertig.
    Während Fabrice darauf wartete, dass die Männer auf sein Angebot reagierten, fing Anton plötzlich laut an zu fluchen. Laurent blieb ganz ruhig, starrte zur Decke hoch und blies den Rauch seiner Zigarette langsam aus. Schon die ganze Nacht über hatte er Antons Ausbrüche ertragen müssen, und mittlerweile hatte er das komplizierte Seelenleben des jungen Mannes satt. Der letzte Einsatz schien Anton schwer zugesetzt zu haben.
    Wie üblich hatten sie – im Auftrag der LRA  – etwas suchen und zerstören sollen, aber als sie ihr Ziel erreichten, waren es bloß zwei Pygmäenjungen, die sich mit nichts als Pfeil und Bogen und einem Speer wehrten. Anton hatte das per Funk gemeldet und nachgefragt, ob alles seine Richtigkeit habe, aber Befehl war nun mal Befehl. Daraufhin hatte er das Feuer mit dem 20  mm-Geschütz eröffnet.
    Auf dem Rückflug hatte Laurent

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