Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
Bauernwagen wurden meist von langsamen, aber kräftigen braunschwarzen Munurochsen, mit ihren seltsam gedrehten Hörnern gezogen, während die Händler fast ausnahmslos die schnelleren Pferde als Zugtiere verwendeten. Die unterschiedliche Geschwindigkeit der Zugtiere führte hin und wieder zu unschönen Auseinandersetzungen zwischen den Händlern und den Fuhrleuten mit den Ochsengespannen, da die Handelsstraße an der Mors, aufgrund des oft regen Gegenverkehrs, die Überholmanöver der Handelswagen zeitweise behinderte. Die rauen Burschen waren dabei nicht zimperlich in der Wahl ihrer Worte, wenn sie sich gegenseitig lautstark anbrüllten, was Ragnors Wortschatz an Schimpfworten deutlich erweiterte.
Trotz seiner Abneigung gegen die Baronie Ahrborg, war der Junge von ihrer Hauptstadt Ahrweiler beeindruckt, als sie in Sicht kam. Die Residenz des Barons war nur etwa halb so groß wie die freie Stadt Mors, aber im Gegensatz zu den verwahrlosten Dörfern und Fronhöfen strahlten, die aus dem roten Sandstein des Mittelgebirges gefügten Mauern und Häuser, aus der Ferne, eine Atmosphäre von gediegenem Wohlstand aus. Die Stadt wirkte irgendwie freundlich, was wohl vor allem am roten Sandstein lag, aus denen ihre gedrungen wirkende Stadtmauer, die Häuser und die Burg, welche sich auf einem kleinen Hügel mitten über der Stadt erhob, gefügt waren. Die freie Reichstadt Mors hingegen, war aus dem grauen Granit des Grenzgebirges erbaut worden und hatte aufgrund der tristen Farbe seiner erheblich höheren Wehrmauern auf einen Betrachter eher abweisend gewirkt.
Die Burg von Ahrweiler erhob sich, selbst aus der Ferne, hoch über der Stadt. Sie wirkte erhaben und prächtig, so ganz anders, als die grauen Zweckbauten und Befestigungen, welche er in Mors gesehen hatte. Die Burg der Barone von Ahrborg war eigentlich keine klassische Burg mehr, sondern wohl eher ein Schloss. Die Wehranlagen waren zugunsten von Komfort und Prachtentfaltung zurückgenommen worden, und der Junge vermutete, als er sie kritisch musterte, dass sie als Verteidigungsanlage nicht mehr viel Wert war, wenn sich eine feindliche Armee erst mal in den Mauern von Ahrweiler befand. Diese Erkenntnis ließ seine Gedanken zu dem Elend zurückkehren, dass er auf der Reise nach Ahrweiler gesehen hatte, und er kam, zu dem aus seiner Sicht, vernichtenden Urteil. Dieser Baron von Ahrborg war nicht nur grausam, sondern auch ziemlich dumm, weil er die Verteidigungsfähigkeit seiner Hauptstadt der Prachtentfaltung geopfert hatte.
Als sie auf die Stadt zuritten, rekapitulierte der Junge, nochmals in Gedanken, die Anweisungen, die Menno und Lars der Reisegruppe am vorigen Abend erteilt hatten. Da sie sich in potenziell feindlichem Gebiet bewegten, hatte der Alte ihnen eingeschärft, kein Wort über Rurig und Kaarborg verlauten zu lassen. Ebenso hatte er ihnen verboten, sich zu den Vorkommnissen in Mors zu äußern, oder gar über ihre Rolle, die sie dort gespielt hatten, auch nur ein Wort verlauten zu lassen. Menno hatte vorgeschlagen, sich als Kapitän auf der Durchreise nach der Hafenstadt Santander auszugeben. Das würde am wenigsten Misstrauen hervorrufen und auch die Wagen und ihr umfangreiches Gepäck erklären. Sie beschlossen, sich in der Stadt möglichst unauffällig zu verhalten und ihren Geleitbrief nur für die Ein- und Ausreise aus Ahrweiler zu verwenden, um eine eventuelle Durchsuchung ihres Gepäcks zu vermeiden. Für ihre Unterkunft wollten sie allerdings selbst aufkommen, um in dem Gasthof nicht weiter aufzufallen und nicht als Gesprächsstoff zu dienen, der unliebsamen Spitzeln, von denen es in Ahrweiler vermutlich reichlich gab, zugetragen werden konnte. Während ihres Aufenthaltes wollten sie sich dann unauffällig in der Stadt umsehen, ob es irgendwelche Anzeichen dafür gab, dass sich Ahrborg für einen Waffengang rüstete, wie es der Baron Kador da Niewborg vermutet hatte.
Sie passierten das Nordtor von Ahrweiler, ohne von den gelangweilten Söldnern, die dort Dienst taten, näher beachtet zu werden. Sie wurden wohlwollend durchgewinkt, vor allem da Menno ihrem Begleitbrief einige Silbermünzen für die Torwachen beigefügt hatte. Sie durchquerten die Stadt, passierten dabei den Marktplatz, der gleich unterhalb der Burg, im Zentrum der Stadt lag, und machten schließlich bei einem eher bescheidenen Gasthof in der Nähe des Südtores halt. Wenn man ihn mit den prächtigen Gebäuden, die den Marktplatz gesäumt hatten, verglich, war es ein schlichtes
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