Der Weg: Wenn Gott Dir eine zweite Chance gibt (German Edition)
Papiertaschentuch die Tränen ab. »Ich glaube, Tony gab sich die Schuld, so verrückt das rückblickend erscheinen mag. Dann gab er mir die Schuld. Gabriel war mit Untergewicht geboren worden, was als möglicher Risikofaktor gilt, und das hielt er irgendwie für meine Schuld. Dann gab er den Ärzten die Schuld, und dann natürlich Gott. So ging es mir auch eine Zeit lang. Ich gab Gott die Schuld. Aber ich entdeckte, dass es dann, wenn du Gott die Schuld gibst, niemanden mehr gibt, dem du vertrauen kannst. Und so konnte ich nicht leben.«
»Oh ja.« Maggie nickte voller Verständnis. »Das habe ich auch herausgefunden. Du kannst nur jemandem vertrauen, von dem du glaubst, dass er dich liebt.«
Loree holte tief Luft. »Tony und ich hatten eine scheußliche Scheidung. Ehrlich gesagt, waren es sogar zwei. Aber trotz allem erinnere ich mich noch an den Mann, in den ich mich damals verliebte. Und deshalb sind Angela und ich sofort hergeflogen. Für sie ist es wirklich schwer, das können Sie sich bestimmt vorstellen.«
»Angela?«
»Ja. Ihr letztes Gespräch mit ihrem Vater war sehr hässlich und lautstark, und zum Abschluss sagte sie ihm, sie wünschte, er wäre tot. Das war ein Telefonat kurz vor seiner letzten Geschäftsreise in den Osten, unmittelbar vor seinem Zusammenbruch. Sie sitzt draußen im Wartezimmer. Als wir hier herauffuhren, wurde ihr plötzlich klar, dass sie es noch nicht schafft, ihn zu besuchen. Vielleicht später.«
»Das tut mir so leid«, sagte Maggie mitfühlend. »Wenn ich irgendetwas tun kann, lassen Sie es mich bitte wissen.« Sie wandte sich Jake zu, der schweigend dabeigestanden und zugehört hatte. Maggie merkte ihm an, dass sich unter seinem von einem schweren Leben gegerbten Äußeren ein sanftes Herz verbarg. »Jake, Sie haben meine Telefonnummer, richtig?«
»Leider nicht. Aber es wäre gut, sie zu bekommen.« Rasch tauschten sie ihre Nummern und Adressen aus. »Ich wohne im Moment in einem Resozialisierungszentrum, bis ich wieder sicher auf eigenen Füßen stehe. Bin seit ein paar Monaten dort, aber ich habe jetzt eine feste Arbeit und werde bald in meine eigene Wohnung ziehen. Loree hat mir ein Handy besorgt, damit ich besser erreichbar bin.«
»Danke, Jake. Ich weiß nicht viel über das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrem Bruder, aber ich weiß genug, um sicher zu sein, dass Sie ihm wirklich etwas bedeuten.«
Da lächelte er strahlend. »Danke, dass Sie mir das sagen, Maggie. Das ist sehr wichtig für mich. Tony war der Sieger, ich der Verlierer, und für eine Weile wurde die Distanz zwischen uns immer größer. Der Weg zurück in ein halbwegs normales Leben war lang und hart für mich, und ich wünschte …« Seine Augen wurden feucht. Er versuchte sichtlich, gegen die Tränen anzukämpfen, doch dann begannen sie doch zu fließen. »Ich wünschte, er könnte noch erfahren, wie sehr ich an mir gearbeitet habe. Ich glaube, er wäre stolz auf mich, wenigstens ein bisschen.« Er wischte sich mit der Windjacke die Tränen weg. »Entschuldigung.« Er grinste verlegen. »Passiert mir oft in letzter Zeit. Aber ich glaube, es ist ein Zeichen der Heilung.«
Maggie umarmte auch ihn, wobei ihr der Duft von Nikotin und billigem Kölnischwasser in die Nase stieg. Aber das war egal. Dieser Mann hatte Substanz.
»Maggie?«, fragte Jake. »Ich möchte Sie etwas fragen. Wir haben mit den Ärzten hier gesprochen. Wissen Sie, ob Tony eine Patientenverfügung unterzeichnet hat, die es ermöglicht, auf Wiederbelebungsmaßnahmen zu verzichten? Sie haben uns gesagt, dass bei ihnen nichts dergleichen registriert ist. Daher fragen wir uns, ob die Verfügung vielleicht in seinem Büro oder bei ihm zu Hause liegen könnte.«
»Das weiß ich leider nicht.« Rasch fügte sie hinzu: »Aber vielleicht kann ich es für Sie herausfinden. Es ist auch möglich, dass er für diesen Fall einem Anwalt entsprechende Vollmachten erteilt hat. Ich erkundige mich und geben Ihnen sofort Bescheid, okay?«
»Da wären wir Ihnen wirklich sehr dankbar. Die Ärzte haben uns gesagt, dass es gar nicht gut aussieht.«
»Am besten, Sie beide gehen jetzt zu ihm. Wir können alle noch für ein Wunder beten, bis eine endgültige Entscheidung getroffen werden muss.«
Loree und Jake bedankten sich bei ihr und gingen zu Tonys Zimmer.
»Gibt es etwas, was du sagen möchtest?«, fragte Maggie leise, aber schroff.
»Nein.« Tonys Stimme klang rau und brüchig. Da wurde ihr Herz ihm gegenüber weicher. Sie gingen hinaus und in
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