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Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition)

Titel: Der Weihnachtsverrat: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hielt dann aber inne. Peterson hatte eine ehrliche Antwort verdient. Auch er selbst brauchte mehr als eine banale Auskunft.
    »Nun, an die Hölle glaube ich zumindest«, sagte er bedächtig. Er wählte die Worte ganz bewusst. »Deshalb glaube ich vermutlich auch an den Himmel. Und wenn es Himmel und Hölle gibt, dann muss es auch Gott geben. Ohne ihn könnte man das alles hier nicht ertragen. Aber vermutlich ist das keine besonders gute Begründung, oder doch?«
    Peterson schüttelte den Kopf. »Es ist anders als ›Gut und Böse‹. Daran zweifelt niemand. Aber gibt es jemanden, der das alles kontrolliert? Manchmal frage ich mich, ob alles einfach so geschieht, ohne weitere Bedeutung. Gibt es einen tieferen Sinn, Gerechtigkeit? Oder müssen wir selbst dafür sorgen, weil niemand sich um so etwas kümmert, um das, was wir nicht können oder wollen.«
    »Das sind gewaltige Fragen, Gefreiter Peterson, aber warum sollten wir sie nicht gerade an diesem Brunnen stellen?«
    Narraway dachte nach. Hier mussten Antworten zu solchen Gedanken gefunden werden, nicht nur für Peterson oder den Prozess, der für morgen anberaumt war, oder für Tierney oder John Tallis. Er brauchte die Antwort auch für sich selbst.
    Peterson wartete.
    »Und Sie glauben, dass wenn es jemanden gäbe, der die Welt beherrscht, er das besser machen müsste? Was hier geschehen ist, scheint mehr zu sein als das gewöhnliche Böse im Menschen. Es ist, als hätte jemand die Tür zu etwas anderem geöffnet. Aber wenn die Hölle nicht schlimmer ist, als ein normaler Mensch sie sich vorstellen kann, dann ist der Himmel auch nichts Schöneres als einer unserer schönsten Träume.«
    Peterson schüttelte kaum merklich den Kopf. »Könnten Sie hinnehmen, dass der Himmel uns weniger gibt, wenn die Hölle dafür nicht so … grausam wäre?«
    »Mich hat niemand gefragt«, antwortete Narraway ernst. »Aber wenn, hätte ich auch nicht gewusst, was ich hätte antworten sollen. Ich habe nie an den Einfluss Gottes gedacht – nur an das hier.«
    »Aber Sie glauben an ihn?«
    Narraway dachte an die blaue Papiergirlande, an all die Mütter, die ihren Kindern ein Weihnachtsfest bescherten. »Ja, ich glaube an etwas Höheres. Viele Leute glauben an Gott, egal, was geschieht. Wir heben die Scherben auf und fangen von Neuem an, um derer willen, die an uns glauben. Wenn uns das gelingt, dann hat der beste Teil in uns Vertrauen und glaubt, etwas erreichen zu können. Wir dürfen sie nicht enttäuschen.«
    »Gott?«
    »Ich denke schon. So schrecklich wie das hier ist, so gut muss auch das andere sein. Glauben Sie daran, zumindest so lange, bis Sie tot aufwachen und feststellen, dass es doch nicht stimmt.«
    Peterson lächelte entspannt. »Ich hätte nicht erwartet, dass Sie so offen zu mir sind. Danke. Trotzdem würde ich an Ihrer Stelle nicht hierbleiben.«
    Narraway stimmte ihm zu, verneigte sich kurz und entfernte sich von Bibighar und seinen Geistern.
    Wissen war jetzt der Schlüssel zu allem. Narraway saß auf einer Mauerstütze des alten Arsenals, das jetzt nur noch ein Haufen Schutt war. Kühler Wind kam auf und wirbelte die Blätter herum. Informationen waren jetzt gefragt. Sie mussten zusammengefügt werden, damit sie einen Sinn ergaben. Wenn er nur wüsste, wie. Es ging ausschließlich darum, die einzelnen Stücke richtig zusammenzusetzen.
    Eine der Schwierigkeiten bestand darin, dass man nie wissen konnte, ob schon alle Erkenntnisse vorlagen, oder ob noch etwas ganz Wichtiges fehlte, etwas, das ein Gesamtbild ergäbe.
    Was hatte er übersehen, warum ergab das alles gar keinen Sinn? Er war Soldat, kein Polizist, kein Anwalt. Aber wenn er sich bemühte, sollte auch er alles verstehen können. Er kannte die Beteiligten und die Ereignisse. Waren sie noch nicht richtig sortiert? Fehlte etwas, das nicht stimmte, oder entpuppte sich ein wichtiger Eckpfeiler als Lüge? Wenn man nur eine Kleinigkeit änderte, würde dann alles einen Sinn ergeben?
    Im Gefängnis waren nur Chuttur und Dhuleep gewesen. Die Tür konnte man nur von außen öffnen. Sie war, als Grant ankam, geschlossen, er war hineingegangen und hatte den sterbenden Chuttur gefunden, der ihm mitteilte, dass Dhuleep geflüchtet war – jemand hatte seinen Ausbruch arrangiert, aber Chuttur hatte nicht gesagt, wer. Vielleicht eine Minute später waren Attwood und Peterson gekommen. Sie waren niemandem begegnet. Sie bestätigten Grants Aussage. Chuttur starb, ohne noch etwas sagen zu können. Die drei Soldaten hatten

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