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Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition)

Titel: Der weiße Klang der Wellen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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waren, war er vor Glück
fast euphorisch. Immer und immer wieder hatte er in Gedanken die Unterhaltung
mit Linda ablaufen lassen, und die Wiederholung der Sätze war wie ein Gedicht,
das er sich einzuprägen hoffte.
    ›Bist du es wirklich?‹
    ›Das ist sehr seltsam.‹
    ›Hast du dich verändert?‹
    ›Es ist Jahre her. Alles hat sich verändert inzwischen.‹
    Er hörte das leise Klicken der Verandatür hinter sich. Er schickte
ein schnelles Gebet zum Himmel, daß es nicht Elaine war.
    »Unser ansässiger Reimeschmied.«
    Roland, mit einem großen goldfarbenen Getränk in der Hand, kam auf
Thomas zu und stützte die Ellbogen auf das schmiedeeiserne Geländer, eine
Haltung, die entspannt wirkte, es aber sicherlich nicht war. Sein Hemd, eigens
aus London geschickt, wie er behauptete, war aus einem synthetischen Material.
    »Ich reime nicht«, sagte Thomas.
    »Wirklich? Das wußte ich nicht.«
    Roland trank einen Schluck und strich sich eine fettige Locke aus
der Stirn. Sein Geruch war widerlich, von Eau de Cologne überlagert. Ganz zu
schweigen von seinem Mundgeruch, der einem schon aus der Entfernung von einem
Meter entgegenschlug. Die Briten badeten nur ein- oder zweimal pro Woche; nun,
keiner tat es öfter hier draußen.
    »Wo kann man Ihre Bücher denn bekommen?«
    »Es gibt keine Bücher von mir.«
    Thomas war sicher, daß sie diese Unterhaltung vor Monaten schon
einmal geführt hatten.
    »Oh. Wie schade.«
    Rolands Hose, ebenfalls aus irgendeinem synthetischen Stoff, lag eng
an den Schenkeln an und fiel über seine Schuhe hinab. Er trug eine schwere
silberne Uhr mit dehnbarem Armband, das ihm zu weit war.
    »Also scharfe Attacken? Pamphlete?« fragte Roland bemüht
unbekümmert.
    »Ich schreibe für Literaturmagazine«, sagte Thomas, den stolzen
Unterton sofort bereuend.
    »Ich schätze, es gibt einen Markt für so was in den Staaten?«
    Thomas fragte sich, wo Rolands Geliebte heute abend war. Jane, deren
Mann Safaris leitete und praktischerweise oft von zu Hause fort war. Der Mann,
der sich auf Partys lauthals beklagte, daß er das Wild nicht mehr schießen
durfte.
    »Ganz und gar nicht.«
    »Oje«, sagte Roland mit einem Anflug von Bestürzung. »Regina muß
wohl sehr tüchtig sein?« Er meinte in finanzieller Hinsicht.
    Thomas erwog, ihm zu verraten, daß er für Reginas Studium aufkam,
verwarf es dann aber wieder.
    »Es gibt hier einen Typen aus Uganda, der ein Magazin herausgibt. Er
könnte Ihnen vielleicht von Nutzen sein«, sagte Roland mit säuerlicher Miene
und beugte sich verschwörerisch zu Thomas hinüber.
    »Natürlich ist es ein mieses Blättchen, und der Typ ist ein
ziemlicher Schleimer, aber letzten Endes ist eine Veröffentlichung besser als
keine, oder?«
    Roland lehnte sich mit dem Rücken ans Geländer und beobachtete seine
eigene Party.
    »Und warum sind wir so einsiedlerisch und ziehen uns allein auf die
Veranda zurück, wenn man fragen darf?« sagte Roland, sich selbst die Freiheit
herausnehmend. Er lächelte und trank einen Schluck. Die gönnerhafte Art dieses
Burschen ging ihm auf die Nerven. Das »wir« brachte das Faß zum Überlaufen.
    »Tatsächlich habe ich gerade an Jane gedacht«, sagte Thomas.
    Arabische Möbel von der Küste und englische Antiquitäten ergaben
ein überladenes Stilgemisch, das förmlich nach Entrümpelung schrie. Obwohl – es
gab einen herrlichen Sekretär, den Thomas schon einmal bewundert hatte und es
heute wieder tat. Er sah die Bücher durch, die in den bleiverglasten Schränken
standen. Nichts Überraschendes, nur das Übliche: Dickens und Hardy, T.E.
Lawrence und Richard Burton. Vielleicht sollte er Roland heute fragen, ob er
sich den Burton ausleihen dürfe. Ein Afrikaner in weißer Uniform nahm sein Glas
und fragte mit melodischem kenianischem Akzent, ob er noch ein Pimm’s wolle.
Thomas schüttelte den Kopf, das Medikament gegen die Migräne, verbunden mit
Alkohol, machte ihn euphorisch und zugleich benommen. Verzweifelt sehnte er
sich nach Schlaf.
    Regina unterhielt sich in der Ecke mit einem Jungen. Sie trug ihr
Haar zu einem Knoten gebunden, eine Frisur, die Thomas mochte, wie sie wußte.
Ihr ärmelloses Kleid enthüllte Arme, die von langen Nachmittagen in Kliniken
unter freiem Himmel gebräunt waren. Ihr Hals war feucht von der Hitze, und auf
ihrer Haut lagen kleine Schweißperlen. Früher einmal war er vor Sehnsucht, mit
dieser Frau zu schlafen, fast vergangen. Als sie sich in einem Heimwerkerladen
in Boston kennenlernten – sie trug ein

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