Der weiße Reiter
Kämpfer liefen auf uns zu, um uns mit Schmährufen zu überschütten. Alle Männer in ihrem Schildwall trommelten unaufhörlich
mit ihren Waffen weiter. Der Regen hatte die Schilde dunkler werden lassen. Sie waren schwarz und rot und braun und fahlgelb.
«Was also sollen wir tun?», fragte Æthelred gereizt.
Die Runde schwieg. Und mir wurde klar, dass Alfred, obwohl er das Problem verstand, keine Lösung dafür hatte. Guthrum wollte,
dass wir angriffen, gleichgültig ob wir uns gegen Sveins kampferprobte Soldaten auf der linken Seite oder gegen den rechten
Flügel wandten, der sich hinter dem Graben und dem Schutzwall der Festung verschanzt hatte. Und Guthrum wusste, dass ein Rückzug
für uns nicht in Frage kam, denn dann würden uns die Dänen verfolgen und über uns herfallen wie ein Rudel hungriger Wölfe
über aufgeschreckte Schafe.
«Lasst uns den linken Flügel angreifen», riet ich.
Alfred nickte, als ob ich nur ausgesprochen hätte, wozu er sich längst entschieden hatte. «Und?», fragte er.
«Und zwar mit all unseren Männern», sagte ich. Außerhalb der Festung standen an die zweitausend Mann des feindlichen Heeres.
Mindestens die Hälfte davon waren |460| Sachsen. Wenn es uns gelänge, diesen Teil ihrer Armee zu überrennen, träte die Schwäche der dänischen Aufstellung zutage,
denn sie standen am Rand des Steilhangs, und wenn sie bedrängt würden, bliebe ihnen als Ausweg nur die lange, abschüssige
Schräge. So könnten wir diese zweitausend Mann ausschalten und uns dann neu aufstellen, um das schwierigere Vorhaben umzusetzen,
nämlich die dreitausend Dänen innerhalb der Festung anzugreifen.
«Mit all unseren Männern?», fragte Alfred. «Aber dann wird uns Guthrum mit aller Macht in die Seite fallen.»
«Das wird er nicht», entgegnete ich. «Jedenfalls nicht mit allen. Den Großteil seines Heeres wird er auf der Festung zurückhalten.
Er ist vorsichtig und würde den sicheren Schutzwall nicht freiwillig verlassen, selbst dann nicht, wenn Svein in Bedrängnis
geriete. Die beiden mögen sich nicht.»
Alfred war mit meinen Überlegungen nicht einverstanden. Er fürchtete, wenn wir Svein angriffen, würden die Dänen von der Festung
unsere linke Flanke überrennen. Ich denke immer noch, dass Alfred meinem Rat hätte folgen sollen, doch das Schicksal ist unausweichlich,
und er beschloss, genauso vorsichtig zu sein wie Guthrum. «Wir werden mit rechts Wulfheres Männer angreifen, aber unsere Linke
in Stellung halten, damit sie einen möglichen Gegenangriff abwehren kann.»
Damit war unser Vorgehen entschieden. Unter der Führung von Osric und Arnulf sollten die Männer aus Wiltunscir und Suth Seaxa
auf dem offenen Feld im Osten der Festung die Truppen von Svein und Wulfhere angreifen, während Alfred und seine Kämpfer den
Flügel um Osric verstärkten, um gegen einen möglichen Angriff vom Festungswall aus gewappnet zu sein. Wiglaf sollte währenddessen
seine Stellung halten, was bedeutete, dass ein |461| Drittel unserer Streitkräfte in dieser Phase der Schlacht nicht eingesetzt wurde. «Wenn wir sie schlagen», sagte Alfred, «werden
sich die Überlebenden in die Festung zurückziehen, und wir können sie belagern. Gibt es Wasser auf dem Hügel?»
«Nein», antwortete Osric.
«Dann sitzen sie in der Falle», sagte Alfred, als wäre die Schlacht schon so gut wie gewonnen. Dann wandte er sich an Bischof
Alewold. «Ein Gebet, Bischof, wenn ihr so freundlich sein wollt.»
Alewold betete, es regnete, und die Dänen brüllten immer noch, und ich wusste, dass der schreckliche Moment, in dem Schilde
auf Schilde krachen, unmittelbar bevorstand. Ich berührte Thors Hammer und danach das Heft von Schlangenhauch, denn ich spürte,
dass der Tod es auf uns abgesehen hatte. Gott helfe mir, dachte ich und fasste erneut nach dem Hammer, Thor helfe uns allen.
Ich glaubte nicht, dass wir gewinnen konnten.
|462| DREIZEHN
Die Dänen ließen ihren Schlachtendonner grollen, und wir beteten. Alewold rief den Herrn im Himmel an und erflehte von ihm
vor allem, dass er uns Engel mit Flammenschwertern senden möge, und solche Engel hätten wir durchaus brauchen können. Doch
es zeigte sich keiner. Wir würden es allein schaffen müssen.
Wir rüsteten uns zur Schlacht. Ich nahm meinen Schild vom Pferd, das Iseult am Zügel führte. Doch zuvor löste ich eine Strähne
aus Iseults schwarzem Haar. «Vertrau mir», sagte ich, denn sie war sehr unruhig. Mit einem
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