Der weiße Reiter
Handbreit vielleicht, mehr nicht», rief ich zurück.
«Kann man drauf laufen?»
«Natürlich», antwortete ich.
Er sprang von Deck – und versank, wie ich’s mir gedacht hatte, bis an die Hüften in dem schwarzen, schleimigen Schlick. Prustend
vor Lachen warf ich mich über den Sattelknauf, und genauso lachte die gesamte Mannschaft der
Eftwyrd
über Leofric, der sich fluchend abstrampelte. Wir brauchten ziemlich lange, um ihn wieder herauszuziehen, und danach waren
meine Männer genauso mit dem stinkenden Matsch verdreckt wie er selbst. Aber dann brachte |64| die Mannschaft – sie bestand fast durchweg aus den alten Ruderknechten und Kriegern, die mir früher gedient hatten – Bier,
Brot und gepökeltes Schweinefleisch an Land, und wir aßen, während die Flut kam zu Mittag.
«Du bist und bleibst ein Earsling», grummelte Leofric und betrachtete den Schlamm, der in den Gliedern seines Kettenhemdes
klebte.
«Ich bin ein Earsling, der sich langweilt», erwiderte ich.
«Dann geht es dir genauso wie uns», sagte Leofric und berichtete, dass ein Großteil der Flotte auf dem Trockenen lag und dem
Kommando eines gewissen Burgweard unterstellt worden war, eines wackeren, aber einfallslosen Kriegers, dessen Bruder Bischof
in Scireburnan war. Burgweard hatte den Auftrag, keinesfalls den Frieden zu gefährden. «Aber es sind ja ohnehin keine Dänen
vor der Küste», erklärte Leofric.
«Was treibt ihr dann hier?»
«Er hat uns losgeschickt, damit wir diesen Trümmerhaufen bergen», antwortete Leofric und nickte in Richtung
Heahengel
. «Die Flotte soll wieder aus zwölf Schiffen bestehen.»
«Ich dachte, es würden neue Schiffe gebaut.»
«Damit hat man auch angefangen, aber dann mussten die Arbeiten abgebrochen werden, weil irgendwelche Schweine das Holz gestohlen
haben, während wir bei Cynuit kämpften. Dann hat sich einer an die
Heahengel
erinnert, und so sind wir hier. Burgweard kommt mit elf Schiffen offenbar nicht aus.»
«Wieso nicht, wenn sie ja doch nur auf dem Trockenen liegen?», fragte ich.
«Für den Fall, dass er sie einsetzt, will er unbedingt zwölf. Nicht elf, zwölf.»
|65| «Zwölf? Warum?»
«Weil», Leofric biss ein Stück Brot ab, «weil in der Bibel steht, dass Christus seine Jünger immer zu zweit losgeschickt hat,
und so sollen wir es auch mit unseren Schiffen tun, in heiliger Zweisamkeit. Wenn wir aber nur elf Schiffe haben, sind das
im Grunde nur zehn. Kannst du mir folgen?»
Ich starrte ihn an und fragte mich, ob er mir einen Bären aufbinden wollte. «Burgweard will, dass ihr jeweils zu zweit segelt?»
Leofric nickte. «Weil es so in Pater Willibalds Buch steht.»
«In der Heiligen Schrift?»
«Wahrscheinlich. Jedenfalls hat uns Pater Willibald das gesagt», antwortete Leofric mit ungerührter Miene und zuckte mit einem
Blick auf meine verwunderte Miene die Achseln. «Im Ernst. Und Alfred ist derselben Ansicht.»
«Natürlich ist er das.»
«Wenn man tut, wozu einen die Heilige Schrift auffordert», Leofrics Gesicht ließ immer noch nicht erkennen, wie er selbst
darüber dachte, «kann nichts schiefgehen, oder?»
«Bestimmt nicht», sagte ich. «Ihr seid also gekommen, um die
Heahengel
wieder flottzumachen?»
«Ja», antwortete Leofric. «Wir setzen einen neuen Mast ein, takeln sie wieder auf, flicken die Lecks, kalfatern die Planken
und schleppen sie zurück nach Hamtun. Das wird ungefähr einen Monat dauern.»
«Mindestens.»
«Und ich war in solchen Sachen noch nie besonders gut. Ich kann kämpfen und jede Menge Bier trinken, aber nur schlecht mit
Hammer, Keil oder Dechsel umgehen. |66| Dafür haben wir die dabei.» Er zeigte auf eine Gruppe von zwölf Männern, die ich nicht kannte.
«Wer sind die?»
«Schiffsbauer.»
«Also werden sie die Arbeit machen?»
«Von mir kann man das auch gar nicht erwarten», entgegnete Leofric. «Ich bin schließlich Kommandant der
Eftwyrd
.»
«Aha», sagte ich, «du willst also einen Monat lang mein Bier trinken und meine Vorräte aufessen, während diese Männer die
Arbeit erledigen. Verstehe ich dich richtig?»
«Hast du einen besseren Vorschlag?»
Ich betrachtete die
Eftwyrd
. Sie war ein gutgebautes Schiff, länger als die meisten dänischen Schiffe und mit hohen Bordwänden, die im Kampf Schutz boten.
«Welchen Auftrag hat dir Burgweard erteilt?», fragte ich.
«Zu beten», antwortete Leofric mürrisch, «und bei den Reparaturen zu helfen.»
«Ich habe gehört, dass ein neuer dänischer
Weitere Kostenlose Bücher