Der weite Himmel: Roman (German Edition)
etwas.« Ham drückte seine Zigarette aus, lehnte sich gemütlich zurück und genoß die Wärme des prasselnden Feuers. »Beau hat zwei Mitarbeiter, einer ist ein Collegebursche aus Bozeman, den er letztes Jahr eingestellt hat, einer dieser Experten für Viehzucht. Beau sagt, er hat zwar ziemlich hochfliegende Ideen, aber ein ausgesprochen helles Köpfchen. Eine Leuchte auf dem Gebiet der Rassenkreuzung und Embryonenverpflanzung. Der andere heißt Ned Tucker, den kenne ich schon fast zehn Jahre. Ein guter Cowboy und zuverlässiger Arbeiter.«
»Stell beide ein«, sagte Willa in die nächste Pause hinein, »und zahl ihnen denselben Lohn, den sie in High Springs bekommen haben.«
»Auch darüber habe ich mit Beau gesprochen. Ihm gefiel der Vorschlag. Weißt du, er hält viel von Ned, und es wäre ihm lieb, wenn er auf einer Ranch wie Mercy unterkommen könnte.« Ham wollte aufstehen, überlegte es sich aber anders und lehnte sich wieder zurück. »Ich habe noch etwas zu sagen.«
Willa hob die Brauen. »Schieß los!«
»Ich glaube, du bist der Meinung, ich wäre mit meinem Job überfordert.«
Nun sah sie ihn völlig entgeistert an. »Wie kommst du denn auf die Idee?«
»Weil du offenbar neben deiner Arbeit auch noch die Hälfte von meiner erledigst, abgesehen von all dem, worum du dich sonst noch so kümmerst. Wenn du dich nicht in dieser Höhle vergräbst und den Papierkram durchgehst, dann reitest du die Zäune ab, hilfst bei den Reparaturen oder verarztest Rinder.«
»Ich trage jetzt die Verantwortung für die Ranch, und du weißt verdammt gut, daß ich den Betrieb ohne dich nicht in Gang halten könnte.«
»Schon möglich.« Immerhin hatte ihm diese Bemerkung ihre ungeteilte Aufmerksamkeit eingetragen. »Vielleicht frage ich mich aber auch, was in aller Welt du einem Toten beweisen willst.«
Willa öffnete den Mund, schloß ihn wieder und schluckte. »Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.«
»Erzähl mir doch keine Märchen.« Der Ärger trieb ihm das Blut ins Gesicht. Streitlustig sprang er auf. »Meinst du vielleicht, ich hätte keine Augen im Kopf? Meinst du, jemand, der dir den Hintern versohlt hat, wenn es sein mußte, der dir deine Schrammen verpflastert hat, wenn du hingefallen bist, wüßte nicht, was in deinem Kopf vorgeht? Du hörst mir jetzt gut zu, Mädchen, auch wenn ich dich nicht mehr übers Knie legen kann. Du kannst dich hier abschuften bis zum Jüngsten Tag, ohne daß dein Einsatz Jack Mercy auch nur ein einziges anerkennendes Wort entlocken würde.«
»Die Ranch gehört jetzt mir«, erwiderte Willa betont ruhig, »oder zumindest ein Drittel davon.«
Er nickte, hocherfreut, einen Anflug von Groll aus ihrer Stimme herauszuhören. »Ja, richtig. Und sogar mit seinem Letzten Willen hat er dir noch einen Schlag ins Gesicht versetzt, genau wie er dich dein ganzes Leben lang nicht hat zum Zuge kommen lassen. Er hat dich noch vom Grab aus ungerecht behandelt. Gut, ich habe jetzt eine etwas bessere Meinung von den anderen beiden Mädchen als am Anfang,
aber darum geht es jetzt gar nicht. Er hat dir all das nur deshalb angetan, weil er die Macht dazu hatte und weil er immer nur das getan hat, was er wollte. Es wurden Außenseiter als Inspektoren eingesetzt, Leute, die nicht zur Mercy Ranch gehörten.«
Trotz des Unmuts, der sich in ihr breitmachte, erkannte sie plötzlich etwas, was sie bislang übersehen hatte. »Er hätte dich wählen müssen«, sagte sie langsam. »Es tut mir leid, Ham. Seltsamerweise ist mir dieser Gedanke noch gar nicht gekommen. Du hättest während des Probejahres die Oberaufsicht führen sollen. Ich hätte früher darauf kommen und bemerken müssen, wie demütigend Pas Entscheidung für dich gewesen ist.«
In diesem Punkt mußte er ihr recht geben, aber es gab Demütigungen – wenn auch nur wenige –, mit denen er leben konnte. »Ich mache dir keine Vorwürfe deswegen, und ich fühle mich auch nicht sonderlich gedemütigt. So etwas sah ihm ähnlich.«
»Ja.« Willa seufzte tief. »Das sah ihm ähnlich.«
»Ich habe nichts gegen Ben oder Nate, das sind gute Männer mit ausgeprägtem Gerechtigkeitssinn. Und nur ein ausgemachter Trottel hätte nicht bemerkt, was Jack beabsichtigte, als er Ben hierherholte. Er wollte, daß er in deiner Nähe ist. Aber auch das ist im Moment unmaßgeblich.« Ham winkte ab, als sie die Stirn runzelte. »Du hast keinen Anlaß, Jack Mercy irgend etwas zu beweisen. Und es ist an der Zeit, daß dir das mal gesagt wird.« Er nickte zur
Weitere Kostenlose Bücher