Der weite Himmel: Roman (German Edition)
nicht mögen. Billy, du wirst das Geweih noch zerbrechen. Paß auf, verdammt noch mal! Da werden sie von nun an ihre Hüte dran aufhängen«, knurrte er, als er hinüberging, um das Verladen zu überwachen. »Typisch Cowboys.«
»Nun sind alle glücklich und zufrieden«, stellte Tess fest.
»Wie schön. Die Bibliothek kommt als nächstes dran.«
»Eine Stunde kann ich erübrigen.« Tess blickte auf die Uhr. »Dann muß ich mich fertigmachen. Ich hab’ noch eine heiße Verabredung.«
Sie hatte sich neue Unterwäsche bestellt, die die Firma Victoria’s Secrets just an diesem Nachmittag geliefert hatte. Wie lange würde Nate wohl brauchen, sie ihr wieder auszuziehen? Mit Sicherheit nicht lange.
Dann dachte sie an Willa. »Ist heute nicht dein und Bens wöchentlicher Kinoabend?« erkundigte sie sich nachdenklich.
»Glaub’ schon.«
»Lily bereitet für Adam heute abend ein Festmahl vor.«
Abgelenkt blickte sich Willa um. »Ach ja?«
»Nun, eigentlich nur zur Feier des Tages, als wir zum ersten Mal … zum ersten Mal …«, schloß Lily verlegen und errötete.
Auch sie hatte eine Lieferung von Victoria’s Secrets bekommen.
»Und Bess hat ihren freien Abend.« Angelegentlich betrachtete Tess ihre Fingernägel. Der Kampf mit den ausgestopften Tieren hatte ihnen nicht unbedingt gutgetan. »Wie ich hörte, will sie nach Ennis fahren und bei ihrer Busenfreundin Maude Wiggins übernachten. Da ich bei Nate bleibe, hast du das Haus ganz für dich alleine.«
»Du solltest auf keinen Fall alleine bleiben«, warf Lily hastig ein. »Ich könnte ja …«
»Lily.« Tess verdrehte die Augen. »Sie bleibt nicht allein,
es sei denn, sie ist unglaublich schwer von Begriff oder einfach nur starrköpfig. Eine kluge, flexible Frau mit rascher Auffassungsgabe würde sich zurechtmachen und parfümieren und dann vorschlagen, den Abend gemütlich zu Hause zu verbringen.«
»Ben würde glauben, ich wäre nicht ganz bei Trost, wenn ich mich erst herausputze und dann auf einmal zu Hause bleiben will.«
»Wollen wir wetten?«
Als sie das breite Grinsen auf Tess’ Gesicht sah, mußte auch Willa lächeln. »Im Moment ist die Lage einfach zu verzwickt. Ich hab’ zuviel andere Sorgen, um mich in Gedanken mit Ben zu befassen.«
»Wann ist die Lage einmal nicht verzwickt?« Tess nahm Willa beim Arm, so daß sie ihr ins Gesicht sehen konnte. »Willst du ihn oder nicht? Ja oder nein?«
Willa dachte an das Kribbeln im Magen, das sie schon den ganzen Tag lang gespürt hatte, weil er ihr nicht aus dem Kopf gegangen war. »Ja.«
Tess nickte. »Heute?«
»Ja!« Willa atmete tief aus. Ihr war gar nicht bewußt geworden, daß sie die Luft angehalten hatte. »Heute!«
»Dann heben wir uns den restlichen Frühjahrsputz für morgen auf. Lily und ich werden mindestens eine Stunde brauchen, um in deinem Schrank etwas halbwegs Verführerisches zu entdecken.«
»Ich habe euch nicht gebeten, mich noch einmal einzukleiden.«
»Es ist uns ein Vergnügen.« Ganz auf ihre Mission konzentriert, zog Tess Willa zurück ins Haus. »Nicht wahr, Lily? He, wo willst du denn hin?«
»Kerzen«, schrie Lily, die bereits über die Straße eilte. »Willa hat kaum Kerzen in ihrem Zimmer. Ich bin gleich wieder da.«
»Kerzen.« Willa scharrte unbehaglich mit den Füßen. »Ein aufreizendes Kleid, ein Vorwand, um im Haus zu bleiben, Kerzen im Schlafzimmer. Ich komme mir vor, als würde ich ihm eine Falle stellen.«
»Natürlich. Genau das tust du ja auch.«
Auf der Schwelle zu Willas Zimmer blieb Tess stehen und stemmte die Hände in die Hüften. Hier gab es noch einiges zu tun, entschied sie, wenn die Kulisse stimmen sollte. »Und ich gebe dir Brief und Siegel darauf, daß er sich nicht nur gerne einfangen läßt, sondern dir auch noch dankbar dafür sein wird.«
Kapitel 4
»Ich fühle mich wie eine Idiotin.«
»So siehst du aber gar nicht aus.« Tess musterte Willa von oben bis unten.
Doch, es war definitiv eine gute Idee gewesen, das Haar aufzustecken – Lilys Vorschlag. Da die ganze Masse nur von ein paar Nadeln gehalten wurde, würde es sich unter den ungeduldigen Händen eines Mannes leicht lösen und über Willas Schultern fallen.
Dann das Kleid – schlicht und doch elegant. Zu schade, daß es nicht weiß war, dachte Tess bedauernd, aber Willas begrenzte Garderobe schloß lange weiße Kleider nicht ein. Doch das helle Grau wirkte dezent, fast schon sittsam, wenn man davon absah, daß Tess die lange Knopfleiste bis zum Oberschenkel
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