Der weite Himmel: Roman (German Edition)
war. So viele verschiedene Arten von Kojoten gab es, dachte sie, und alle waren sie Aasfresser.
Sie würde keinem zweibeinigen Aasfresser ihr Land überlassen.
Energisch wendete sie ihr Pferd und ritt im Halbdunkel nach Hause.
Kapitel 3
»Dieser Dreckskerl!« Ben lehnte sich gegen seinen Sattelknauf und schüttelte den Kopf. Unter der breiten Krempe seines dunkelgrauen Hutes glitzerten die grünen Augen böse. »Es tut mir wirklich leid, daß ich seine Beerdigung versäumt habe. Meine Leute sagen, es wäre geradezu ein gesellschaftliches Ereignis gewesen.«
»Allerdings.« Nate klopfte Bens schwarzem Wallach abwesend die Flanke. Er hatte seinen Freund gerade noch abfangen können, ehe dieser in die Berge aufbrach.
Nates Meinung nach gehörte Three Rocks zu einem der schönsten Fleckchen Erde in ganz Montana. Das Haupthaus war zwar kein Palast wie das der Mercy Ranch, aber ein architektonisch reizvolles Fachwerkgebäude mit einem Sandsteinfundament und mehreren großzügig angelegten Veranden und Balkonen, die dazu einluden, sich eine Pause zu gönnen und in Ruhe die Berge zu betrachten.
Auf der McKinnon-Ranch herrschte ständig ein geschäftiges Treiben, dennoch lief der Betrieb wie am Schnürchen.
Aus einem nahe gelegenen Korral ertönte ein protestierendes Muhen. Die Kälber, die von ihren Müttern getrennt
wurden, weil sie entwöhnt werden sollten, fügten sich selten klaglos in ihr Schicksal. Und den männlichen Tieren würde es noch viel schlimmer ergehen, grübelte Nate, denn sie wurden zudem noch kastriert, und man kappte ihnen die Hörner. Diese Vorgehensweise war einer der Gründe, warum er lieber Pferde züchtete.
»Mir ist klar, daß du noch eine Menge Arbeit hast«, fuhr Nate fort. »Ich will dich auch nicht lange aufhalten, aber ich hielt es für besser, persönlich vorbeizukommen und dich über den Stand der Dinge zu informieren.«
»Okay.« Bens Gedanken kreisten in der Tat um seine Arbeit. Der Oktober ging in den November über, und der Winter stand vor der Tür. Im Moment tauchte die Sonne Three Rocks in ein strahlendgoldenes Licht, die Pferde grasten auf den umliegenden Weiden, und die Männer gingen in Hemdsärmeln ihren Pflichten nach. Doch es war an der Zeit, die Zäune zu überprüfen, das letzte Getreide einzubringen und das noch vor dem Winter zum Verkauf bestimmte Vieh auszusondern und zu verschiffen.
Sein Blick wanderte über die Koppeln und Weiden zu der Anhöhe, in Richtung Mercy Ranch. Sicherlich ging Willa Mercy heute morgen mehr im Kopf herum als nur ihr Tagewerk. »Nichts gegen deine Fähigkeiten als Anwalt, Nate, aber dieser ganze Unsinn läßt sich doch wohl nicht durchsetzen, oder?«
»Die testamentarischen Verfügungen sind klar und unmißverständlich abgefaßt.«
»Nichts weiter als juristische Spitzfindigkeiten.«
Nate kannte seinen Freund zu gut, um sich beleidigt zu fühlen. »Sie könnte das Testament natürlich anfechten, aber das wäre eine knifflige und wenig erfolgversprechende Angelegenheit.«
Ben blickte wieder in Richtung Südwesten. Vor seinem inneren Auge entstand das Bild Willa Mercys, und er schüttelte unwillig den Kopf. Ben fühlte sich im Sattel ebenso wohl wie manch anderer Mann in seinem Lieblingssessel. Nach dreißig Jahren auf der Ranch bedeutete ihm das freie Land alles. Er war nicht ganz so groß wie Nate, drahtig und muskulös
gebaut und trug sein goldbraunes, von der Sonne gebleichtes Haar so lang, daß es bis zum Kragen seines Flanellhemdes reichte. Seine Augen blickten so scharf wie die eines Falken und oft auch genauso kalt, und sein wettergegerbtes, gebräuntes Gesicht zeugte davon, daß er sich vornehmlich im Freien aufhielt. Quer über sein Kinn verlief eine schmale Narbe; ein Andenken an seine Kindheit, als er mit seinem Bruder Messerwerfen geübt hatte.
Mit einer gedankenverlorenen Geste fuhr er sich jetzt mit der Hand über diese Narbe. Als Nate ihm vor kurzem von dem Testament berichtet hatte, fand Ben es noch amüsant, doch nun, da die Bestimmungen in Kraft traten, erschien ihm die ganze Angelegenheit auf einmal nicht mehr so komisch.
»Wie verkraftet sie es denn?«
»Schwer.«
»Mist. Das tut mir leid. Sie hat den alten Bastard geliebt, weiß der Himmel, warum.« Er nahm seinen Hut ab, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und setzte ihn wieder auf. »Vermutlich ist sie fuchsteufelswild, daß ausgerechnet ich mit in die Sache verwickelt bin.«
Nate grinste. »Zugegeben. Aber ich denke, sie würde auf jeden anderen genauso
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