Der weite Himmel: Roman (German Edition)
schluckte krampfhaft. Sie haßte das Töten, haßte es, Blut vergießen zu müssen. Es drehte ihr schon den Magen um, wenn eines der Hühner zum Abendessen geschlachtet wurde. »Ich hatte keine andere Wahl. Er wollte mich angreifen.«
Ben nickte, zog sein Gewehr aus der Hülle und näherte sich dem Tier vorsichtig. »Ein ziemlicher Brocken.« Er verdrängte den Gedanken daran, was hätte passieren können, wenn sie ihr Ziel verfehlt hätte; wie ein Bär dieser Größe Pferd und Reiter hätte zurichten können. »Eine Bärin«, stellte er mit betont sanfter Stimme fest. »Hat vermutlich ihre Jungen hier in der Gegend.«
Willa hängte ihre Flinte wieder an den Sattel. »Stell dir vor, auf die Idee bin ich auch schon gekommen.«
»Soll ich ihr den Pelz über die Ohren ziehen?«
»Danke, aber das kann ich alleine.«
Ben nickte und zog sein Messer. »Ich werde dir trotzdem ein bißchen zur Hand gehen. Immerhin ist das ein Riesenbiest. Übrigens, es tut mir leid, daß dein Vater gestorben ist, Willa.«
Willa griff nach ihrem eigenen scharfgeschliffenen Bowiemesser, das dem Bens nicht unähnlich war. »Wieso? Du konntest ihn doch nicht ausstehen.«
»Aber du hast ihn geliebt, und deswegen bedauere ich seinen Tod.« Ben machte sich an dem Bären zu schaffen. »Nate kam heute morgen vorbei.«
»Darauf hätte ich wetten können.«
Blut dampfte in der kühlen Luft. Charlie nagte vorsichtig an den Eingeweiden und wedelte mit dem Schwanz. Ben blickte von dem Kadaver auf und sah Willa in die Augen. »Und wenn du noch so sauer auf mich bist, es ändert nichts an den Tatsachen. Ich hab’ das verdammte Testament nicht aufgesetzt, doch ich werde tun, was ich tun muß. Als erstes will ich wissen, was du mutterseelenallein hier oben zu suchen hast.«
»Vermutlich dasselbe wie du. Ich habe Herden hier oben stehen, die ins Tal getrieben werden müssen. Glaub mir, ich kann meine Ranch genausogut leiten wie du deine, Ben.«
In der Hoffnung, daß sie weitersprechen möge, schwieg er einen Moment. Ihre stets leicht heiser klingende Stimme hatte ihn seit jeher fasziniert, und mehr als einmal hatte er sich gefragt, wie eine dermaßen widerborstige Frau zu einer Stimme kam, in der purer Sex mitschwang.
»Nun, wir haben ja ein Jahr Zeit, um das herauszufinden, nicht wahr?« Als sie auf diese Spitze nicht reagierte, fuhr Ben sich mit der Zunge über die Lippen. »Hängst du dir seinen Kopf an die Wand?«
»Nein. Männer mögen ja mit ihren Trophäen angeben, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Ich habe das nicht nötig.«
Er mußte grinsen. »Das liegt nun einmal in unserer Natur. Du würdest selbst eine hübsche Trophäe abgeben. Weißt du eigentlich, daß du dich zu einem ausgesprochen gutaussehenden Mädchen entwickelt hast, Willa? Ich glaube, das ist das erste Mal, daß ich einer Frau über die Eingeweide eines Bären hinweg Komplimente mache.«
Sie hatte keineswegs die Absicht, seinem verschrobenen Charme zu erliegen. Seit einigen Jahren kämpfte sie bereits energisch gegen ihre Zuneigung für Ben McKinnon an. »Ich brauche deine Hilfe nicht, weder bei diesem Bären noch bei der Leitung der Ranch.«
»Du bekommst sie trotzdem. In beiden Fällen. Hör zu, Willa, wir können die Angelegenheit friedlich angehen oder uns wegen jeder Kleinigkeit in die Haare geraten.« Er tätschelte Charlie, der sich neben ihm niederließ, geistesabwesend den Kopf. »Mir ist es egal.«
Ihm fiel auf, daß dunkle Schatten unter ihren Augen lagen, und um ihren Mund, der auf ihn stets einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt hatte, war ein verkniffener Zug. Da war es ihm schon lieber, wenn sie ihn wütend anfauchte – und er hatte auch bereits eine Idee, wie er sie dazu bringen konnte.
»Sind deine Schwestern genauso hübsch wie du?« Als sie keine Antwort gab, zuckte es leicht um seine Mundwinkel. »Bestimmt sind sie liebenswürdiger. Ich muß doch mal vorbeikommen und mich persönlich überzeugen. Wie wär’s, wenn du mich zum Abendessen einladen würdest, Will? Dann können wir uns anschließend gemütlich zusammensetzen
und unsere Pläne für die Ranch durchsprechen.« Jetzt funkelte sie ihn doch böse an, und sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter. »Ich wußte doch, daß das wirkt. Nichts steht dir besser als ein kleiner Wutanfall.«
Sie legte keinen Wert auf seine Komplimente, auch wenn er es vielleicht darauf anlegte. Derartige Bemerkungen verunsicherten sie immer. »An deiner Stelle würde ich mir den Atem sparen, Ben. Laß lieber
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