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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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körperlich überlegen, aber er hatte keine Macht über mich, weil ich fest entschlossen war, nicht aufzugeben. Ich bin absichtlich gegen den Baum gefahren, damit sein Vorsprung sich verringert. Ich habe alles getan, um ihm den Weg zu erschweren.«
    »Ach, Lily!« Tess verlor das letzte Quentchen Selbstbeherrschung. Sie sank in einen Sessel und begann zu schluchzen. »O Gott!«
    »Als er mir dann die Hände fesselte und mich an diesem Seil hinter sich herschleifte, habe ich mich so oft wie möglich fallen lassen.« Eine merkwürdige Ruhe überkam sie, geboren aus dem Bewußtsein, das Schlimmste überlebt zu haben.
    »Auch dadurch kam er langsamer voran. Ich wußte, er würde mich nicht umbringen. Mich schlagen, ja, aber er würde mich nicht umbringen. Doch ich fing an, fürchterlich zu frieren, und meine Kräfte ließen nach, so daß ich mich nicht mehr gegen ihn zur Wehr setzen konnte. Trotzdem habe ich durchgehalten.«
    Wortlos stand Willa auf, holte ein Glas Wasser und brachte es Tess. Lily atmete tief durch. Sie würde die Sache jetzt zu Ende bringen, würde all das loswerden, was unausgesprochen zwischen ihnen hing.
    »Ich rechnete damit, daß er mich vergewaltigen würde. Auch das konnte ich überstehen, er hatte es ja schon früher getan. Aber diesmal war er nicht Herr der Lage, außerdem hatte er Angst. Er hatte mindestens soviel Angst wie ich, wenn nicht mehr. Als wir die Höhle erreichten, war ich zu Tode erschöpft und wußte, daß ich krank werden würde. Er
hätte mit mir machen können, was er wollte, ich hätte es hingenommen, weil ich mich nur noch darauf konzentriert habe, zu überleben und zu euch zurückzukehren.«
    Lily ging langsam zum Fenster und blickte hinaus. Sie hatte gekämpft, den Kampf gewonnen und war wieder wohlbehalten zu Hause. Dieses Wissen verlieh ihr die Kraft, sich wieder umzudrehen und weiterzusprechen. »Er hatte Whiskey dabei, und ich nahm einen Schluck davon, weil ich dachte, das würde mir helfen. Jesse trank erheblich mehr. Dann schlief ich ein oder wurde bewußtlos, während er damit prahlte, was für ein toller Hecht er doch sei; so wie er es immer tat, wenn er sich betrank. Ich hörte, wie der Whiskey in der Flasche gluckerte, und im Unterbewußtsein hoffte ich, er würde sich so stark betrinken und ich würde mich so weit erholen, daß ich fliehen konnte. Dann kam jemand.«
    Lily kreuzte die Arme vor der Brust. »Da war ich allerdings schon nicht mehr ganz klar im Kopf.« Dieser Teil ihres Martyriums jagte ihr immer noch die meiste Angst ein, die nicht zu greifenden, vom Fieberwahn verschleierten Erinnerungen. »Das Fieber hielt mich in den Klauen, und vermutlich konnte ich Traum und Realität nicht mehr unterscheiden. Ich dachte, du wärst es«, sagte sie zu Adam. »Ich dachte, ich wäre zu Hause in meinem Bett, und du würdest gerade zu mir unter die Decke kriechen. Ich konnte es förmlich spüren. Dabei bin ich wieder eingeschlafen und habe nicht gemerkt, wie die Person, die in die Höhle eingedrungen war, Jesse tötete und meine Fesseln durchschnitt. Ich lag zwar dicht daneben, aber …«
    Da war dieser hohe, schrille, abrupt abgebrochene Schrei gewesen. Sie konnte ihn immer noch deutlich hören, wenn sie es nur zuließ. »Als ich erwachte«, fuhr sie gelassen fort, »war Jesses Mantel über mich gebreitet. Er klebte vor Blut, überall war Blut. Dann sah ich Jesse selbst. Durch den Höhleneingang fiel ein wenig Licht ins Innere, und ich konnte ihn erkennen. Jesse in diesem Zustand zu sehen war seltsamerweise schlimmer, als wenn er mir wieder eine Pistole an die Schläfe gehalten hätte. Mit jedem Atemzug sog ich seinen Geruch ein; roch, was ihm angetan worden war, während ich
keinen Meter von ihm entfernt lag. Und in diesen wenigen Minuten hatte ich mehr Angst als während der ganzen Zeit davor.«
    Sie trat einen Schritt, einen einzigen Schritt nur, auf Adam zu. »Danach kroch ich ins Freie, hinaus ins Sonnenlicht, und du warst da. Du warst da, als ich dich am nötigsten gebraucht habe. Ich war mir stets sicher, daß es so sein würde.«
    Erschöpft, aber innerlich befreit schenkte sie sich ein Glas Wasser ein. »Es tut mir leid, daß ich euch alle so angeschrien habe. Ich weiß, daß alles, was ihr getan habt, nur aus Sorge um mich geschah. Aber nun muß ich mein Leben wieder selbst in die Hand nehmen. Ich muß nach vorne blicken.«
    »Vielleicht hättest du schon früher einen Wutanfall bekommen sollen. Gewitter reinigen bekanntlich die Luft.« Tess, die sich

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