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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Kamel. Diese Hand brauchst du eventuell noch.« Sie nahm Tess das Tuch weg, beugte sich zu ihr hinüber, um es mit einem
geschickten Griff am Hinterkopf festzuknoten. »Eine eindeutige optische Verbesserung«, entschied sie, nachdem das Gesicht ihrer Schwester zur Hälfte verdeckt war. »Du hast noch nie besser ausgesehen.«
    »Spiel dich nur weiter als Treckboß auf.«
    »Ich bin der Boß.« Willa ließ Moon angaloppieren und jagte zum hinteren Teil der Herde, um einige Nachzügler einzusammeln.
    Es war ein echtes Erlebnis für Tess. Vielleicht nicht ganz so imposant wie das Zusammentreiben der riesigen Longhornherden in Texas, so wie das die Cowboys in alten Western immer taten, dennoch machte es Eindruck auf sie. Eine Handvoll Reiter kontrollierte so viele Tiere, trieb sie durch das Land, vorbei an Weiden, auf denen andere Rinder grasten und das Geschehen mit gelangweilten Augen verfolgten, holte gelegentliche Ausreißer mit einer raschen Bewegung des Pferdes, einem Peitschenknallen wieder in die Herde zurück.
    Jahr für Jahr wiederholte sich dieses Ereignis, grübelte Tess versonnen, und der Ablauf änderte sich kaum. Hier oben war das Pferd das einzige Fortbewegungsmittel, war es schon immer gewesen. Kein Fahrzeug konnte ein Pferd ersetzen.
    Die Weiden im Gebirge strotzten nur so vor saftigem, üppigem Grün. Aus diesem Grund wurden die Rinder in die Berge getrieben, damit sie sich den Sommer über bis hin zum Herbstanfang unter dem weiten Himmel an dem im Überfluß vorhandenen Gras gütlich tun konnten, wobei sie nur Adler, Bergschafe und ihre Artgenossen zur Gesellschaft hatten.
    Das Nahen des Sommers empfand sie wie ein Geschenk. Die Bäume wurden grün, die Kiefern dichter, und in der Ferne konnte sie das Gluckern eines Gebirgsbaches hören. Eine nahegelegene Wiese war mit leuchtendbunten Wildblumen gesprenkelt, die die warmen Sonnenstrahlen hervorgelockt hatten. Vögel zwitscherten in den Bäumen oder flogen über die Anhöhen, und die Berge hoben sich mit ihren weißen Gipfeln klar vom strahlendblauen Himmel ab. Schatten und
Licht tanzten über Täler und Schluchten und ließen den breiten Baumgürtel geheimnisvoll dunkelgrün schimmern.
    »Na, geht’s noch?« Jim lenkte sein Pferd an ihre Seite und entlockte ihr ein Lächeln. Er wirkte so frech und verwegen, als sei er geradewegs dem Wilden Westen entsprungen.
    »Es geht. Ich muß gestehen, daß es mir einen Heidenspaß macht.«
    Jim zwinkerte ihr zu. »Erzählen Sie das heute abend mal Ihrem Hinterteil.«
    »Oh, das spüre ich schon seit einer guten Stunde nicht mehr.« Trotzdem hob sie sich leicht aus dem Sattel, um den Wahrheitsgehalt ihrer Bemerkung zu überprüfen. Tatsächlich, ihre Kehrseite fühlte sich bereits vollkommen taub an. »Ich war noch nie so hoch oben in den Bergen. Es ist fantastisch.«
    »Ein Stück weiter oben befindet sich eine Art Aussichtspunkt. Schauen Sie mal in diese Richtung …«, er deutete vage in die Gegend, »… es lohnt sich wirklich.«
    »Wie lange machen Sie das schon, Jim? Seit wann treiben Sie im Frühjahr die Herden auf die Bergweiden?«
    »Für die Mercy Ranch? So ungefähr seit fünfzehn Jahren, mehr oder weniger.« Wieder zwinkerte er, da er Willa auf sie zureiten sah und wußte, daß er gleich einen strafenden Blick ernten würde. »Hält mich von der Straße und von leichten Mädchen fern.« Er trabte wieder an seinen Platz und ließ eine kichernde Tess zurück.
    »Während eines Trecks flirtet man nicht mit den Cowboys«, rügte Willa.
    »Wir haben eine kurze, zivilisierte Unterhaltung geführt. Wenn ich mit einem Mann flirte, dann sieht das anders … O mein Gott!« Tess zügelte ihr Pferd und schaute in die Richtung, die Jim ihr eben gezeigt hatte. Willa, die Tess nur zu gut verstand, hielt hinter ihr an.
    »Hübscher Ausblick.«
    »Wie ein Gemälde«, flüsterte Tess. »Es erscheint irgendwie unwirklich.« All die Farben, Formen, Silhouetten und die Weite des Landes wirkten fast unwirklich.
    Die Gipfel ragten schroff in den Himmel hinein, dazwischen
lag ein breiter, silbrig glänzender Canyon, den ein tiefblauer Fluß teilte und dessen Ufer mit dichtbelaubten Bäumen bewachsen waren. Während seines Verlaufs – Tess schien er Meilen lang zu sein – beschrieb der Fluß eine scharfe Kurve und verschwand dann im Gestein. Doch zuvor sprudelte er gischtsprühend über die Felsen, um dann friedlich gurgelnd weiterzufließen. Hoch oben am Himmel zog ein Falke seine Kreise und glitt über den Fluß,

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