Der weite Himmel: Roman (German Edition)
allemal leid.«
»Komm, laß uns hineingehen.« Er behandelte sie wie eine widerspenstige Stute, mit unendlicher Geduld und viel Mitgefühl, stellte Lily ergrimmt fest. »Du brauchst noch viel Ruhe. Unsere Hochzeit steht kurz bevor, da geht dir sicher vieles im Kopf herum.«
Das gab den endgültigen Ausschlag. Wütend fuhr sie ihn an. »Ich muß mich weder ausruhen, noch besteht Anlaß dazu, daß du mich wie ein übellauniges Kind zurechtweist. Und eine Hochzeit findet erst statt, wenn ich es sage.«
Würdevoll stolzierte sie von dannen und ließ ihn vollkommen verblüfft, sprachlos und fassungslos zurück.
Ihr Zorn brodelte weiter, und sie genoß das ungewohnte Machtgefühl, kostete es auf dem ganzen Weg zum Wohnhaus aus. Sie steigerte sich hinein, während sie die Stufen emporstieg und auf das Büro zuging, wo sich Willa und Tess offenbar einen heftigen Disput lieferten.
»Wenn es dir nicht paßt, wie ich die Dinge organisiere, warum, zum Teufel, hast du mich dann quasi gezwungen, diese idiotische Aufgabe zu übernehmen? Ich habe weiß Gott auch ohne diesen Empfang genug um die Ohren.«
»Ich kümmere mich um die Blumenarrangements«, giftete Tess zurück. »Ich kümmere mich um den Getränkelieferanten und den Koch – wenn man diesen Typen mit den vorstehenden Zähnen, dessen Spezialität Schweinebraten in Bierteig ist, überhaupt als Koch bezeichnen kann.« Sie warf aufgebracht die Hände hoch, dann stemmte sie die Fäuste in die Hüften. »Du brauchst dich lediglich um Tische und Stühle für das Gartenbüffet zu kümmern, und wenn ich gestreifte Sonnenschirme haben möchte, dann ist es doch wohl das mindeste, daß du versuchst, diese für mich aufzutreiben.«
Jetzt stemmte auch Willa die Hände in die Hüften, schob streitlustig das Kinn vor und funkelte Tess an. »Und wo soll ich fünfzig blauweiß gestreifte Sonnenschirme herzaubern, kannst du mir das mal verraten? Von dieser Pergola, auf die du so wild bist, will ich gar nicht erst reden. Wenn du dich wenigstens … Lily, solltest du dich nicht besser etwas hinlegen ?«
»O nein. Nein, ich habe nicht vor, mich hinzulegen.« Lily
wunderte sich, daß keine Funken aus ihren Fingerspitzen sprühten, als sie auf den Schreibtisch zuging und alle Listen, Broschüren und Rechnungen mit einer einzigen Handbewegung zu Boden fegte. »Und ihr könnt jeden Fetzen Papier, der auch nur im entferntesten mit der Hochzeit zu tun hat, auf der Stelle in den Mülleimer werfen. Die Hochzeit findet nämlich nicht statt.«
»Liebes …« Tess löste sich aus ihrer Erstarrung, legte Lily einen Arm um die Schulter und versuchte, sie sanft in einen Sessel zu drücken. »Wenn dir Bedenken gekommen sind …«
»Hört auf, mich wie ein unmündiges Kleinkind zu behandeln.« Wutschäumend riß Lily sich los. »Und tut bloß nicht so, als würdet ihr mir das Recht zugestehen, Bedenken zu äußern, geschweige denn, daß ihr mir zutraut, überhaupt eigene Gedanken zu entwickeln! Hier geht es um meine Hochzeit. Meine! Und ihr beiden habt alles an euch gerissen. Wenn ihr unbedingt eine Hochzeitsfeier planen wollt, dann heiratet gefälligst selbst!«
»Ich hole Bess«, murmelte Tess, was einen neuerlichen Zornesausbruch von Lily zur Folge hatte.
»Wage es ja nicht, Bess hierherzubringen, damit sie mich wieder wie eine besorgte Henne umflattern kann! Der nächste, der versucht, mich zu bemuttern, der kann sein blaues Wunder erleben. Ich meine es ernst. Du!« Sie tippte Tess mit dem Zeigefinger vor die Brust. »Du hast meinen Garten bearbeitet. Und du«, sie fuhr auf Willa los, »du hast meine Einladungen adressiert. Ihr beide habt meine Aufgaben unter euch aufgeteilt, und was euch durch die Finger gleitet, schnappt Adam sich so schnell, daß ich noch nicht einmal mit der Wimper zucken kann.«
»Na großartig.« Willa hob die Hände. »Entschuldige vielmals, daß wir versucht haben, dir in einer schweren Zeit beizustehen. Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr ich es genossen habe, mir einen Schreibkrampf zuzuziehen, während mir diese Hexe hier im Nacken saß.«
»Ich hab’ dir nicht im Nacken gesessen«, zischte Tess erbost. »Ich habe nur aufgepaßt, daß alles seine Richtigkeit hat.«
»Aufgepaßt, daß ich nicht lache! Du steckst andauernd
deine Nase in Dinge, die dich nichts angehen, und früher oder später kriegst du mal die Quittung dafür.«
»Vermutlich von dir, wie ich dich kenne.«
»Würdet ihr zwei endlich den Mund halten? Das ist ja nicht zum
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