Der weite Himmel: Roman (German Edition)
Schwester scheint eine unbezwingliche Gier nach Kaffee zu verspüren«, bemerkte Ben, als Tess an ihnen vorbeischoß.
»Du hättest ihr Gesicht sehen sollen, als ich ihr Pferd freigelassen habe. Ein Bild für die Götter. Allein deswegen hat es sich gelohnt, sie mitzunehmen.«
»Ist sonst alles in Ordnung bei euch?«
»Alles ruhig.« Willa verlangsamte ihren Schritt. »Das Leben geht seinen gewohnten Gang – so wie es eben möglich ist, wenn die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren laufen.«
»Ich möchte nicht, daß jetzt noch etwas dazwischenkommt.«
»Wird es auch nicht.« Sie blieb stehen und drehte dem Grüppchen am Feuer den Rücken zu, so daß sie mit Ben unter vier Augen sprechen konnte. »Ich habe noch einmal mit den Cops geredet«, sagte sie leise. »Sie verhören meine Männer, jeden einzelnen von ihnen.«
»Meine auch. Es läßt sich nicht vermeiden, Willa.«
»Ich weiß. Aber es macht mir Sorgen, daß ich Ham auf der Ranch zurückgelassen habe und nicht weiß, was im Moment
dort vor sich geht. Er, Bess und Woods beide Söhne sind ganz auf sich gestellt.«
»Ham kann auf sich aufpassen. Bess übrigens auch. Und ich glaube nicht, daß jemand den Kindern etwas zuleide tun wird, Will.«
»Bis vor kurzem hätte ich es auch nicht für möglich gehalten, daß ich einmal so denken würde. Aber jetzt weiß ich nicht mehr, woran ich bin. Ich hatte Nell vorgeschlagen, mit den Kindern für eine Weile zu ihrer Schwester zu ziehen, aber sie wollte Wood nicht allein lassen. Wenn Wood allerdings der Täter ist, dann sind sie auf der Ranch vermutlich sicher.«
Die Worte hinterließen einen bitteren Nachgeschmack. Willa atmete vernehmlich aus. »Manchmal kann ich selbst kaum glauben, was für Gedanken mir durch den Kopf gehen. Ich bin bald soweit, jeden für den möglichen Täter zu halten, Ben. Wood, Jim, Billy oder einen deiner Männer. Die meisten kenne ich schon mein ganzes Leben lang. Dann wiederum denke ich, daß Jesse Cooke vielleicht das letzte Opfer war; daß mit ihm alles aufgehört hat und wir die Sache ad acta legen können. Auf diese Weise kann ich Pickles und dieses Mädchen aus meinen Gedanken verdrängen.«
»Nur allzu verständlich.« Ben strich ihr über die Wange. »Ich habe mich auch schon gefragt, ob die Mordserie wohl mit Cooke aufhört.«
»Aber du glaubst nicht daran.«
»Nein, ich glaube nicht daran.«
»Bist du deswegen hier? Hast du dich deshalb entschlossen, deine Herde am selben Tag in die Berge zu treiben wie ich meine?«
Ben hatte befürchtet, daß sein Motiv zu leicht zu durchschauen war. Nun rieb er verlegen über seine Narbe am Kinn. »Immerhin habe ich gefühlsmäßig einiges in dich investiert, und ich möchte vermeiden, daß sich das als Verlustgeschäft erweist.«
Willa zog die Brauen zusammen. »Rede nicht von mir, als wäre ich ein Aktienpaket, McKinnon.«
Er beugte sich zu ihr und gab ihr einen flüchtigen Kuß. »Denk nicht weiter darüber nach«, schlug er vor und goß sich einen Becher Kaffee ein.
Kapitel 2
Aus Tess’ Tagebuch:
In einem harten Sattel zu sitzen und eine Herde Rinder auf Gebirgsweiden zu treiben ist sehr viel unbequemer, als sich gemütlich in die Polster eines Mercedes 450 SL zurückzulehnen und durch die Berge von Santa Monica zu sausen – dieses kleine Vergnügen werde ich mir nämlich gönnen, sobald mich die Großstadt wiederhat, das habe ich soeben beschlossen.
Trotzdem war es ein erlebnisreicher Tag; ein Abenteuer, das sich vielleicht mit dem Kick vergleichen läßt, den man bekommt, wenn man mit einem schnellen Sportkabriolett über die Autobahn rast. Man sieht immer neue Orte, erweitert seinen Horizont und läßt sich den Wind durchs Haar wehen. Die Sache hat allerdings auch einen großen Haken – und auf dem sitze ich gerade.
Mir tut das Hinterteil vom Reiten so entsetzlich weh, daß ich mir ein Kissen auf den Stuhl legen mußte. Aber alles in allem hat es sich gelohnt, ich hatte ja keine Ahnung, welch traumhaft schöne Landschaft die Rockys zu bieten haben. Es hat mich noch nicht einmal gestört, daß um diese Jahreszeit dort oben noch Schnee liegt. Die Luft im Gebirge ist mit der im Tal nicht zu vergleichen. ›Rein‹ ist wohl die treffendste Bezeichnung dafür. Sie kommt mir so frisch und klar vor wie Quellwasser in einem edlen Kristallglas.
Auf einer felsigen Hochebene haben wir eine Pause eingelegt, und ich schwöre, daß ich von dort aus sogar Nates Ranch erkennen konnte.
Ich muß gestehen, ich habe ihn ein
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