Der weite Himmel: Roman (German Edition)
er grinsen. Sie hielten nach ihm Ausschau, dachten doch tatsächlich, sie hätten eine Chance, ihn zu überführen. Als ob ihnen das gelingen würde!
Er stellte sich vor, daß er jahrelang, bis ans Ende seines Lebens damit weitermachen würde, aus reinem Vergnügen zu töten. Von jetzt an nur noch aus Vergnügen. Rache und sogar lange aufgestauter Haß und Groll verblaßten daneben zu fahlen Schatten.
Jemand stieß ihn an. Eine gutaussehende Frau, die offenbar versuchte, mit ihm zu flirten. Er ging darauf ein, brachte
sie zum Lachen, bis sie errötete, dann forderte er sie zum Tanzen auf. Und während der ganzen Zeit überlegte er, ob er sie als nächstes Opfer auswählen sollte. Ihr herrliches rotes Haar würde eine hübsche Trophäe abgeben.
Kapitel 4
Er las schließlich eine rothaarige Prostituierte auf, weil sie ihn an das hübsche rothaarige Mädchen erinnerte, mit dem er auf Lilys Hochzeit getanzt hatte. Eine Hure stellte leider keine große Herausforderung dar, weswegen er einen Anflug von Enttäuschung verspürte.
Aber er hatte so lange gewartet.
Er war so rücksichtsvoll gewesen zu warten, bis Lilys Eltern und Tess’ Mutter abgereist waren. Er hatte während ihrer Anwesenheit auf Mercy keinerlei Aufregung verursachen wollen. Lilys Familie war nach der Hochzeit noch eine Woche geblieben, Louella zehn Tage. Alle waren sich einig, daß sie letztere besonders vermissen würden, ihr von Herzen kommendes Lachen, ihre Witze, bei denen man sich vor Vergnügen kaum halten konnte. Und die engen Röcke, die sie mit Vorliebe trug. Die Frau war ein echtes Original, und er hoffte, sie würde recht bald wieder zu Besuch kommen. Er fühlte sich inzwischen an sie und all die anderen gebunden.
Aber nun waren die Gäste nach Hause zurückgekehrt, und auf der Ranch lief alles seinen gewohnten Gang. Zu seiner Freude hielt sich das Wetter, und die Saat war gut angegangen, obwohl etwas Regen nicht geschadet hätte. Doch er wußte so gut wie jeder andere, wie es sich in Montana mit dem Regen verhielt: Entweder war es zuviel des Guten oder zuwenig.
Ein- oder zweimal war ein Gewitter im Westen an ihnen vorbeigezogen, aber der Juni war bislang ein knochentrockener Monat gewesen. Doch die Flüsse führten noch von der Schneeschmelze her genug Wasser mit sich, in diesem Punkt gab es also keinen Grund zur Beunruhigung.
Die Rinder auf den Weiden setzten Fleisch an, und die Frühjahrskälber entwickelten sich prächtig. In der letzten Zeit waren allerdings wieder Elche in der Nähe der Weiden gesichtet worden, diese verflixten Biester trampelten die Zäune nieder und schleppten Krankheiten ein, die sich auf das Vieh übertragen konnten, doch Willa hatte die Plage recht gut im Griff.
Er hatte sich eingehend mit ihren Plänen hinsichtlich Aussaat einheimischer Gras- und Getreidesorten und der stufenweisen Reduzierung von Chemie und Wachstumshormonen beschäftigt und war zu dem Schluß gekommen, daß er ihre Ideen guthieß. Er billigte fast alles, was sie vorhatte und was dem Alten nie in den Sinn gekommen wäre.
Nach langer, reiflicher Überlegung und hartem inneren Kampf hatte er zugeben müssen, daß die Entscheidung, ihr die Leitung von Mercy zu übertragen, gut und gerecht gewesen war. Zwar wurmte es ihn immer noch, daß McKinnon und Torrence zumindest noch ein paar Monate lang ein Mitspracherecht hatten, aber er fand, daß Willa ganz gut mit ihnen fertig wurde.
Eigentlich hatte er vorgehabt, etwas gegen Tess und Lily zu unternehmen, doch Blut war dicker als Wasser, wie er zu sagen pflegte. Jetzt konnte er sich gut vorstellen, daß sich beide auf Mercy niederließen, daß die ganze Familie einträchtig zusammen auf der Ranch leben würde.
Die Familie mußte zusammenhalten. Das war ihm von der Wiege an eingeschärft worden, und er hatte sich stets bemüht, nach diesem Grundsatz zu leben. Nur Kummer und Zorn hatten ihn dazu getrieben, ihnen Schmerzen zufügen zu wollen, sie leiden zu lassen, wie er gelitten hatte. Doch jetzt hatte er endgültig mit dem Schuldigen abgerechnet. Er hatte ein Zeichen hinterlassen, das ihn gleichzeitig zum Lachen und zum Weinen brachte. Nun war die Zeit für lohnendere Beute gekommen, deswegen hatte er die rothaarige Hure aufgegabelt.
Er hatte sie in Bozeman angesprochen; ein billiges Straßenmädchen, das vermutlich niemand vermissen würde. Sie war klapperdürr und dumm wie Bohnenstroh, aber sie hatte
einen Mund wie ein Saugnapf und wußte ihn auch zu gebrauchen. Die ersten zwanzig Dollar
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