Der weite Himmel: Roman (German Edition)
Scheibenschießen gegen ihn an, nicht wahr?«
»Richtig.«
»Den steckst du glatt in den Sack, Will. Wir haben alle auf dich gesetzt.«
»Na, ich möchte nicht schuld daran sein, daß ihr euer Geld verliert.« Sie beobachtete Ben, der sich gerade bereit machte. Er tippte sich grinsend an den Hut; eine anmaßende Geste, die ihr ein Kichern entlockte.
Als das Pferd mit einem Satz aus der Box stürmte, beschleunigte sich ihr Herzschlag ein wenig. Er sah … prachtvoll aus, wie er mit dem sich wie rasend gebärdenden Pferd kämpfte, eine Hand hochgerissen, die andere um den Sattelknauf geklammert. Eine Sekunde lang konnte sie seine Augen sehen, bemerkte die vollkommene Konzentration darin.
Genauso sah er aus, wenn er mit ihr im Bett war. Ihr Herz machte wieder einen Satz. Den Gongschlag, der das Ende der Runde ankündigte, nahm sie kaum wahr. Sie sah nur, daß er absprang, während das Pferd immer noch schnaubend nach allen Seiten auskeilte. Er blieb ruhig stehen, als die Menge zu toben begann, und sah Willa unverwandt an. Dann zwinkerte er ihr zu.
»So ein arroganter Kerl«, brummelte sie vor sich hin. »Und in so etwas mußte ich mich verlieben.«
»Warum gehen sie bloß so ein Risiko ein?« fragte eine Stimme hinter ihr.
»Aus Spaß an der Freude.« Dankbar für die Ablenkung, drehte Willa sich um. Tess hatte sich für das Fest gewaltig herausgeputzt: enge Jeans, modische Stiefel, hellblaues, mit Silberborte verziertes Hemd und schneeweißer Hut. »Sieh
an, sieh an! Eine echte Augenweide. Hallo, Nate! Bereit für das große Rennen?«
»Das Feld ist dieses Jahr ziemlich eng, aber ich bin zuversichtlich.«
»Nate hilft beim Kuchenwettessen mit.« Tess hakte sich kichernd bei ihm unter. »Wir suchen Lily, sie wollte unbedingt dabei zuschauen, weil sie mitgeholfen hat, die Kuchen zu backen.«
»Ich hab’ sie doch eben noch gesehen …« Willa kniff die Augen zusammen und ließ den Blick über die Menge wandern. »Vielleicht ist sie mit Adam auf dem Kinderspielplatz und organisiert Sackhüpfen oder den Eierlauf.«
»Wir werden sie schon finden. Hast du Lust mitzukommen?«
»Nein, danke«, lehnte Willa ab. »Wir sehen uns später. Jetzt brauch’ ich erst einmal ein Bier.«
»Du machst dir Sorgen um sie«, flüsterte Nate Tess zu, während sie sich einen Weg durch die Menge bahnten.
»Ich komme nicht dagegen an. Du hast sie nicht gesehen, als sie vom Friedhof wiederkam. Aber sie hat kein einziges Wort über den Vorfall verloren. Normalerweise bringe ich sie auf die eine oder andere Weise immer zum Reden, aber in diesem Fall ist es mir nicht gelungen.«
»Der Mord an Jesse Cooke liegt mehr als zwei Monate zurück. Das ist doch schon mal was, woran man sich festhalten kann.«
»Ich versuch’s ja.« Tess schüttelte die schwarzen Gedanken ab. Hier und jetzt gab es Musik, Gelächter, Festtagsstimmung. »Tolle Party. Ich hätte es nie für möglich gehalten, daß hier draußen in der Wildnis solche Feten steigen.«
»Wenn du willst, kannst du noch viele andere erleben.«
»Nate, das hatten wir doch alles schon. Ich fliege im Oktober nach L. A. zurück. Da ist ja Lily.« Erleichtert winkte Tess ihrer Schwester wie wild zu. »Ich schwöre dir, sie sieht von Tag zu Tag blühender aus. Die Schwangerschaft bekommt ihr.«
Nate war sich sicher, daß eine Schwangerschaft auch Tess gut bekommen würde. Auch darauf würde er hinarbeiten,
wenn er sie erst einmal davon abgebracht hatte, Montana zu verlassen.
Die ersten Feuerwerkskörper explodierten eine halbe Stunde nach Einbruch der Dämmerung. Ein Farbenmeer breitete sich am Himmel aus, verdunkelte die Sterne und erlosch dann wieder.
»Ich glaube, für deinen Daddy ist der Spaß, diese Dinger zu zünden, größer als für die Kinder das Zuschauen.«
»Jedes Jahr gerät er sich deswegen mit Ham in die Haare.« Ben grinste, als sich ein goldener Funkenregen über sie ergoß. »Und wenn sie sich endlich einig geworden sind, gakkern sie wie die Hühner, wenn sie abwechselnd die Raketen steigen lassen. Zack und ich durften ihnen dabei noch nie zur Hand gehen.«
»Deine Zeit ist noch nicht reif«, murmelte sie versonnen. Doch die Zeit würde kommen. Auch darin lag eine gewisse Kontinuität. »Das war ein schöner Tag, Ben.«
»Ja.« Er nahm ihre Hände. »Ein rundherum gelungener Tag.«
»Bist du nicht sauer, weil ich dich beim Wettschießen geschlagen habe?«
Der Stachel saß noch immer in seinem Fleisch, doch er zuckte gleichmütig die Achseln. Sie beide
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