Der weite Himmel: Roman (German Edition)
nicht einmal Eier einsammeln, ohne den größten Teil davon zu zerbrechen.« Als Tess sie böse ansah, wandte sich Willa an Nate. »Du wolltest etwas mit mir besprechen?«
»Ja.« Er war auf diese Art von Unterhaltung gar nicht gefaßt gewesen. »Aber vor allen Dingen wollte ich mich davon überzeugen, daß es dir gutgeht. Ich hab’ schon gehört, was hier los war.«
»Ach, ich bin ganz okay.« Willa nahm Tess das Glas aus der Hand und trank den Rest gierig aus. »Es gibt nicht viel, was ich in der Angelegenheit unternehmen könnte. Die Männer sind ein bißchen verunsichert, aber sie halten wenigstens die Augen offen.« Sie setzte das leere Glas ab und schob ihren Hut zurecht. »Hast du gehört, ob außer uns noch anderen etwas Derartiges zugestoßen ist?«
»Nein, niemandem, soviel ich weiß.« Und genau das bereitete ihm Kopfzerbrechen. »Wenn ich dir irgendwie helfen kann, brauchst du es nur zu sagen.«
»Ich weiß dein Angebot zu schätzen.« Willa nahm seine Hand und drückte sie; eine Geste, die Tess veranlaßte, nachdenklich die Lippen zu schürzen. »Hast du dich um die andere Sache gekümmert? Wir haben ja ausführlich darüber gesprochen.«
Sie sprach von ihrem Testament, in dem sie Adam als Alleinerben eingesetzt hatte, und von den Dokumenten, die belegten, daß sie ihm das Haus, das er bewohnte, die Pferde und die Hälfte ihres Anteils an der Mercy Ranch überschrieben hatte. »Ja, ich habe alle nötigen Papiere Ende der Woche zur Unterschrift fertig.«
»Danke.« Sie gab seine Hand frei. »Du kannst dich ja noch
mit ihr unterhalten, wenn dir deine Zeit dazu nicht zu schade ist.« Willa bedachte Tess mit einem unfreundlichen Blick. »Ich muß noch ein paar Kälber kastrieren.«
Nachdem sie den Raum verlassen hatte, verschränkte Tess die Arme und bemühte sich, ihr Temperament zu zügeln. »Langsam fange ich an, sie zu hassen.«
»Sie kennen sie nur nicht gut genug.«
»Ich weiß, daß sie herablassend, grob, unfreundlich und herrschsüchtig ist, und das reicht mir.« Nein, stellte sie fest, als sie vorsichtig aufstand, ihre Wut wollte sich einfach nicht legen. »Ich habe nichts getan, das eine solche Behandlung verdient. Ich habe nicht darum gebeten, ein Jahr lang hier festzusitzen, und ganz bestimmt habe ich nicht darum gebeten, mit dieser anmaßenden Hexe verwandt zu sein.«
»Sie ist auch nicht vorher gefragt worden.« Nate ließ sich auf einer Sessellehne nieder und begann sich eine Zigarette zu drehen. Er hatte noch etwas Zeit, und ihm schien, daß es hier ein paar Dinge zu klären gab. »Lassen Sie mich Ihnen einmal eine Frage stellen. Wie wäre Ihnen wohl zumute, wenn Sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würden, Gefahr zu laufen, Ihr Heim zu verlieren? Daß alles, woran Ihr Herz hängt, auf einmal auf dem Spiel steht?«
Lächelnd riß er ein Streichholz an und hielt die Flamme an das Ende seiner Zigarette. »Ob Sie Ihr Eigentum behalten, hängt von Ihnen völlig fremden Menschen ab, und selbst wenn alles gutgeht, werden Sie doch einen Teil davon verlieren. Sie müssen es mit diesen Fremden teilen, mit Menschen, die Sie nie zuvor gesehen haben. Diese Menschen leben in Ihrem Haus, weil sie darauf ebenso ein Recht haben wie Sie selbst, und es gibt nichts, was Sie dagegen unternehmen können. Und um das Maß des Erträglichen vollzumachen, lastet auch noch die ganze Verantwortung auf Ihrer Schulter, da die Eindringlinge keine Ahnung von einer Ranch haben. Sie allein müssen sich um alles kümmern, die anderen brauchen nur abzuwarten. Und halten sie durch, dann bekommen sie zur Belohnung ebensoviel wie Sie, obwohl die ganze Arbeit und die ganzen Sorgen an Ihnen hängen.«
Tess öffnete den Mund – und schloß ihn wieder, ohne etwas
zu erwidern. So betrachtet, sah die Sache ganz anders aus. »Ich trage aber keine Schuld daran«, meinte sie schließlich betroffen.
»Nein, das tun Sie nicht. Aber Willa auch nicht.« Nate drehte den Kopf und musterte das Porträt von Jack Mercy über dem Kamin. »Und Sie mußten nicht mit ihm leben.«
»Was war …« Abrupt brach sie ab und ärgerte sich über sich selbst. Sie wollte nicht fragen, wollte nicht zuviel erfahren.
»Was er für ein Mensch war?« Nate stieß eine Rauchwolke aus. »Ich werde es Ihnen sagen. Er war unbeugsam, kaltherzig und eigensüchtig. Er verstand mehr von der Leitung einer Ranch als jeder andere, den ich kenne, aber von Kindern hatte er nicht die geringste Ahnung.« Die Erinnerung trieb ihm die Zornesröte ins
Weitere Kostenlose Bücher