Der weite Himmel: Roman (German Edition)
beruhigenden Einfluß auf ihn aus. Sarah McKinnon war eine hübsche Frau mit funkelnden grünen Augen und glänzendem rotblondem
Haar, die von ihren irischen Vorfahren jenen milchweißen Teint geerbt hatte, dem kein Sonnenstrahl etwas anhaben konnte. Zwar entdeckte Ben im Laufe der Zeit auch einige Fältchen in ihrem Gesicht, doch die Linien waren so fein, daß man sie kaum bemerkte. Ihr warmes Lächeln hingegen zog ihre Mitmenschen sofort in ihren Bann.
In ihren Jeans und dem karierten Hemd wirkte sie schmal und zierlich, doch Ben wußte, daß der Schein trog. Er kannte ihre psychische und physische Stärke und wußte, daß sie durchaus in der Lage war, bei beißender Kälte oder glühender Hitze stundenlang zu Pferde oder auf einem Traktor zu sitzen. Sie konnte sich einen fünfzig Pfund schweren Futtersack ebenso mühelos auf die Schulter hieven, wie eine andere Frau ihr Baby aufnahm.
Nein, für Ben zählte hauptsächlich der stählerne Kern, der sich in ihrem zarten Körper verbarg. Sarah wurde in ihren Entschlüssen niemals wankend. Während seines ganzen Lebens hatte er nicht einmal erlebt, daß sie einer Herausforderung aus dem Weg gegangen war oder einen Freund im Stich gelassen hatte.
Wenn er keine Frau fand, die ebenso liebevoll, großzügig und innerlich gefestigt war wie sie, dann würde er sein Leben wohl als Junggeselle beschließen. Das Wissen darum hätte Sarahs Herz überfließen lassen.
»Ich habe über Willa Mercy nachgedacht, Ma.«
Sarah hob eine Augenbraue. Ein Anflug von Hoffnung keimte in ihr auf. »Ach ja, wirklich?«
»Nicht so, wie du denkst.« Obwohl das nicht stimmte. Er hegte bezüglich Willa just jene Gedanken, die seine Mutter ihm unterstellte. »Sie macht gerade eine schwere Zeit durch.«
Das aufglimmende Licht in Sarahs Augen erlosch. »Das tut mir leid. Sie ist ein gutes Mädchen und hat diesen ganzen Kummer nicht verdient. Ich habe schon daran gedacht, hinüberzureiten und ihr einen Besuch abzustatten, aber ich weiß ja, wieviel sie im Moment um die Ohren hat. Dabei sterbe ich vor Neugier, was die beiden anderen angeht. Bei der Beerdigung konnte ich kaum einen Blick auf sie werfen.«
»Ich glaube, Willa würde sich über deinen Besuch freuen.« Ben stopfte sich ein großes Stück Pfannkuchen in den Mund. Er wollte den geeigneten Zeitpunkt abwarten, um das loszuwerden, was ihm auf der Seele lag. »Hier auf Three Rocks haben wir alles unter Kontrolle, also kann ich ein paar Stunden abzweigen, um auf Mercy nach dem Rechten zu sehen. Das wird Will zwar nicht in den Kram passen, aber vielleicht glätten sich die Wogen ja, wenn ein zusätzlicher Mann ab und an mit anpackt.«
»Wenn du sie nicht immer piesacken würdest, dann kämst du auch besser mit ihr aus.«
»Möglich.« Ben hob die Schultern. »Das Problem ist, ich weiß nicht, wieviel Verantwortung sie schon zu Lebzeiten des alten Jack übernommen hat. Vermutlich kommt sie ganz gut allein zurecht, aber da Mercy tot ist, fehlt auf der Ranch ein Mann. Ich habe nicht gehört, daß sie sich nach Ersatz umgesehen hat.«
»Man erzählt sich, daß sie einen Burschen von der Universität als Vorarbeiter einstellen will.« Auf diese Weise gelangte der Klatsch von Ranch zu Ranch – in Form von Spekulationen, die telefonisch weitergegeben wurden. »Einen netten jungen Mann, der sich in der Landwirtschaft und Viehzucht auskennt. Ich will damit nicht sagen, daß Ham sein Handwerk nicht versteht, aber er kommt langsam in die Jahre.«
»Das würde Will nie tun. Für sie steht zuviel auf dem Spiel, und außerdem hat sie Ham viel zu gerne. Ich werde ihr ein wenig helfen«, fuhr er fort, »obwohl sie von meinem Collegediplom auch nicht allzuviel hält. Ich dachte daran, am späten Vormittag hinüberzureiten und die Fühler in dieser Richtung auszustrecken.«
»Das ist sehr nett von dir, Ben.«
»Ich mache das aus purem Eigennutz.« Er grinste sie über seinen Tassenrand hinweg an, mit demselben verschmitzten Lächeln, das ihr so vertraut war. »So habe ich wenigstens Gelegenheit, sie noch ein bißchen mehr zu piesacken.«
Kichernd stand Sarah auf, um die Kaffeekanne zu holen. Sie hatte die Schritte ihres Mannes auf der Treppe gehört.
»Na, vielleicht lenkt sie das ein wenig von ihren Problemen ab.«
Willa konnte wahrlich eine Ablenkung gebrauchen. Woods Söhne hatten sich auf die Bullenweide geschlichen, um dort unter Zuhilfenahme der roten Weihnachtstischdecke ihrer Mutter Torero zu spielen. Sie waren mit dem Leben und einem
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