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Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Der weite Himmel: Roman (German Edition)

Titel: Der weite Himmel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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grausam, daß es kaum menschlich zu nennen war.
    Er hatte nicht gewußt, welche Eigenschaften tief in ihm schlummerten.
    Er hatte nicht geahnt, wieviel Gefallen er an seinem Tun finden würde.
    Armer alter Pickles. Wie ein Kind, das in der Kirche kichern muß, preßte er beide Hände vor den Mund, um ein Lachen zu unterdrücken. Er hatte keinen persönlichen Groll gegen den alten Knacker gehegt, aber Pickles war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen, und er hatte nur getan, was er tun mußte.
    Was sein muß, muß sein, dachte er, in seine Hände prustend. Dieses Sprichwort hatte seine gute alte Ma immer auf den Lippen geführt. Auch dann, wenn sie halb weggetreten war, hatte sie mit solchen platten Weisheiten um sich geworfen. Was sein muß, muß sein. Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen. Morgenstund hat Gold im Mund. Spare in der Zeit, so hast du in der Not. Blut ist dicker als Wasser. Und so weiter und so fort.
    Etwas ruhiger geworden, atmete er einmal tief aus und legte die Hände auf die Magengegend. Ihm fiel ein, wie butterweich die Klinge in Pickles’ Leib geglitten war. Durch all die Fettschichten hindurch, überlegte er, seinen eigenen flachen Bauch tätschelnd. Als ob man das Messer in ein Kissen stieß. Und dann dieses schmatzende Geräusch, das auch entstand, wenn er am Hals einer Frau saugte – um ihr sein Brandzeichen aufzudrücken, sozusagen.
    Doch der absolute Höhepunkt war für ihn der Moment gewesen, als er Pickles die Kopfhaut mit dem wenigen Haar abgezogen hatte. Nicht daß der Skalp mit den dünnen, spärlichen Strähnen eine großartige Trophäe abgab, doch der Akt als solcher hatte ihn über alle Maßen fasziniert.
    Und dann das Blut.
    Lieber Gott, wie hatte er geblutet.
    Er wünschte, er hätte sich mehr Zeit lassen, vielleicht noch einen kleinen Siegestanz aufführen können. Nun ja, nächstes Mal …
    Erneut mußte er sich ein Lachen verkneifen. Es würde ein nächstes Mal geben. Über Rinder und Haustiere war er hinausgewachsen. Ein Mensch stellte eine viel größere Herausforderung dar. Er würde auf der Hut sein müssen, und er würde abwarten. Wenn er zu rasch wieder zuschlug, würde er die Vorfreude nicht auskosten können. Und sein nächstes Opfer wollte er sorgfältig auswählen, nicht einfach den Nächstbesten nehmen, der ihm über den Weg lief. Vielleicht sollte er es diesmal mit einer Frau versuchen. Er könnte sie in den Wald verschleppen; dorthin, wo er seine Trophäen hortete. Er könnte ihr die Kleider vom Leib reißen, während sie ihn um Gnade anflehte, und sie dann vergewaltigen, sooft er wollte.
    Bei dieser Vorstellung bekam er eine Erektion. Abwesend begann er, sich zu streicheln, während er seine Pläne schmiedete. Für ihn wäre es ein zusätzlicher Anreiz, wenn er sich Zeit lassen könnte, um sein Opfer zu quälen; wenn er beobachten könnte, wie sich dessen Augen mit Panik füllten, wenn er ihm bis ins Detail schilderte, was er mit ihm zu tun beabsichtigte. Es würde ihm noch viel mehr Spaß bereiten, wenn seine Opfer wußten, was ihnen bevorstand.
    Aber er würde zuvor noch ein wenig üben müssen. Er hatte sein Können noch nicht perfektioniert, und der Mord an einer Frau würde ihn auf die nächste Ebene seines ganz persönlichen Seins katapultieren.
    Kein Grund zur Eile, dachte er verträumt, während er sich selbst befriedigte. Es bestand überhaupt kein Grund zur Eile.

ZWEITER TEIL
Winter
    Diejenigen, die die Winter dieses Landes kennen,
wissen um ihren eisigen, unerbittlichen Griff.
    – William Bradford –

Kapitel 1
    Nicht einmal ein Mord konnte der alltäglichen Routine Einhalt gebieten. Die Männer waren zwar nervös, nahmen jedoch ohne Murren Willas Befehle entgegen. Da nun eine weitere Arbeitskraft fehlte, gab sie ihr Äußerstes, um die Lücke zu füllen. Sie ritt die Zäune ab, fuhr hinaus auf die Felder, um den Verlauf der Winterernte zu überwachen, und saß bis spät in die Nacht über den Büchern.
    Das Wetter schlug rasch um. Die sich mehr und mehr abkühlende Luft kündigte den nahenden Winter an; auch die Weiden waren nun jeden Morgen von Reif bedeckt. Jetzt mußte das Vieh, das nicht überwintern sollte, entweder verkauft oder zum Schlachten abtransportiert werden – im Falle der Mercy-Rinder entweder nach Ennis oder per Schiff hinunter nach Colorado.
    Wenn sie nicht gerade im Sattel oder hinter dem Steuer eines Jeeps saß, stieg sie mit in Jims kleines Flugzeug ein und kontrollierte die Weiden aus der Luft.

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