Der weite Himmel: Roman (German Edition)
Nähe zu bleiben, wenn ich mit so leckeren Mahlzeiten rechnen kann.«
Beide Frauen fuhren erschrocken zusammen, als die Außentür aufging und Adam eintrat. Er brachte einen Kälteschwall mit in die Küche. »So, für heute brauchen sie mich nicht mehr.«
»Setzen Sie sich«, lud Tess ihn ein. »Suppe und Wein stehen auf der Speisekarte.«
Er warf ihr einen nachdenklichen Blick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit Lily zuwandte. »Ich nehme lieber einen Kaffee. Nein, bleib sitzen«, fügte er hinzu, als Lily aufstehen wollte. »Den kann ich mir schon selber holen. Eigentlich wollte ich nur kurz nach Willa sehen.«
»Ben hat sie überredet, nach oben zu gehen und sich hinzulegen.
« Nervosität und Erleichterung ließen Lily weiterplappern, ehe sie überlegen konnte. »Sie braucht jetzt Ruhe. Ich kann dir schnell einen Teller Suppe fertigmachen. Du mußt etwas essen, und es ist genug da.«
»Ich mach’ das schon. Setz dich wieder hin.«
»Irgendwo ist auch noch Brot, ich hab’ nur vergessen, es auf den Tisch zu stellen. Ich …«
»Du setzt dich jetzt wieder hin.« Adam sprach ruhig, aber mit Nachdruck, während er zwei Teller füllte. »Versuch, dich ein bißchen zu entspannen.« Vorsichtig balancierte er beide Teller zum Tisch. »Und iß etwas! Ich hole das Brot.«
Verblüfft sah Lily ihm zu, wie er sich sicher und geschickt in der Küche zu schaffen machte. Keiner der Männer, die ihr bisher begegnet waren, hatte im Haushalt jemals auch nur einen Finger krumm gemacht. Sie hatten sich stets bedienen lassen. Lily warf Ben einen verstohlenen Blick zu, erwartete ein abfälliges Grinsen, doch dieser fuhr fort, seine Suppe zu essen, als sei es ganz normal, daß ein Mann sich in der Küche betätigte.
»Möchtest du, daß ich ein, zwei Tage hierbleibe und dir zur Hand gehe, Adam?«
»Danke, ist nicht nötig. Wir kommen schon klar.« Adam setzte sich Lily gegenüber und sah ihr fest in die Augen. »Alles in Ordnung mit dir?«
Sie nickte, nahm ihren Löffel und versuchte zu essen.
»Pickles hatte keine Familie, soviel ich weiß«, fuhr Adam fort. »Mir ist, als hätte er vor längerer Zeit mal eine Schwester in Wyoming erwähnt, aber ich bin nicht sicher. Wir werden natürlich versuchen, sie zu finden, falls sie dort noch lebt. Ich würde trotzdem vorschlagen, daß wir uns um die Beerdigung kümmern, sobald die Leiche freigegeben worden ist.«
»Das sollten wir Nate überlassen.« Ben brach sich ein Stück Brot ab. »Willa wird ihn darum bitten, wenn du einverstanden bist.«
»Gut, abgemacht. Ben, ich glaube nicht, daß sie diese Sache ohne dich überstanden hätte. Ich möchte, daß du das weißt.«
»Ich war nur rein zufällig an Ort und Stelle.« Die Art, wie sie sich in seine Arme geworfen hatte – und die Gefühle, die
ihr Körper in ihm ausgelöst hatte, machten ihm noch immer zu schaffen. »Wenn sie den Schock erst einmal überwunden hat, wird es ihr höchstwahrscheinlich leid tun, daß sie ausgerechnet meine Hilfe in Anspruch genommen hat.«
»Da irrst du dich. Sie wird dir dankbar sein, genau wie ich.« Er drehte eine seiner Hände nach oben, so daß auf der Handfläche eine lange, feine Narbe sichtbar wurde. »Bruder.«
Bens Mundwinkel zuckten, als er die identische Narbe auf seiner eigenen Hand betrachtete, und er erinnerte sich an einen Tag vor langer Zeit, als zwei kleine Jungen am Flußufer im Schatten eines Canyons gestanden und sich feierlich Blutsbrüderschaft geschworen hatten.
»Oh-oh, eine reine Männersache.« Seltsam angerührt knuffte Tess Lily leicht in die Rippen, damit diese sie aufstehen ließ. »Das ist für mich das Stichwort, die Herren ihrem Portwein und ihren Zigarren zu überlassen und nach oben zu gehen. Ich kann ja irgend etwas Aufregendes tun, zum Beispiel meine Zehennägel lackieren.«
Ben grinste sie anerkennend an. »Ihre Fußnägel sind bestimmt genauso hübsch wie Sie.«
»Süßer, sie sehen gräßlich aus.« Es war so einfach, ihn zu mögen, dachte sie. Und von Sympathie bis hin zum Vertrauen war nur ein kleiner Schritt. »Ich denke, ich schließe mich Adams Meinung an. Ich bin nämlich auch froh, daß Sie hier sind. Gute Nacht.«
»Ich gehe dann besser auch.« Lily griff nach Tess’ zur Hälfte geleertem Suppenteller.
»Bleib bitte hier.« Adam legte eine Hand über ihre. »Du hast noch nichts gegessen.«
»Ihr wollt euch doch sicher ungestört unterhalten. Ich kann meinen Teller auch mit nach oben nehmen.«
»Laufen Sie bitte meinetwegen nicht weg.« Ben,
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