Der weite Himmel: Roman (German Edition)
zusammenballten, ablenken. Nun stellte sich heraus, daß er damit eine Lawine ins Rollen gebracht hatte.
Ben rieb sich mit der Hand über die Magengegend. Er wußte wohl, daß sich die Knoten in seinem Inneren noch nicht so bald lösen würden. Sie hatte eine bislang unbekannte Saite in ihm angerührt, und die Tatsache, daß sie keine Vorstellung von den Freuden hatte, die sie einander bereiten konnten, erschreckte ihn ein wenig. Zugleich empfand er es als ungeheuer erregend. Bislang hatte Ben sich stets mit erfahrenen Frauen abgegeben, die die Spielregeln kannten und wußten, worauf sie sich einließen. Frauen, die, wie er sich eingestand, nicht mehr erwarteten, als er zu geben bereit war, und denen gegenüber er sich auch zu nichts verpflichtet fühlte.
Noch einmal blickte er sich nach dem Haus um, ehe er sich hinter das Steuer setzte und den Schlüssel ins Zündschloß schob. Mit Willa würde es nicht so einfach sein; nicht, wenn er ihr erster Mann war.
Er verließ die Mercy Ranch, ohne die leiseste Ahnung davon zu haben, wie er sich in Zukunft ihr gegenüber verhalten sollte. Nur eins stand für ihn fest: Der Mann, der sie in die Freuden der Liebe einweihte, würde Ben McKinnon heißen.
Im Vorbeifahren sah er zu der Schlafbaracke der Männer hinüber und dachte an alles, was Willa in der letzten Zeit widerfahren war. Jeder andere wäre unter der Belastung zusammengebrochen. Jeder andere außer Willa.
Tief aufseufzend lenkte er den Jeep in Richtung Three Rocks. Er würde für sie da sein, ob ihr das nun paßte oder nicht. Und auf diesem einen ganz speziellen Gebiet würde er mit äußerster Behutsamkeit vorgehen. Er würde sich sogar bemühen, etwas liebenswürdiger zu sein und sie nicht dauernd absichtlich zu reizen.
Doch er würde in ihrer Nähe bleiben.
Kapitel 2
Der Schnee kam zu früh und dann auch noch in Massen. Er begrub die Weiden unter einer weißen Decke, so daß die Männer Tag und Nacht arbeiten mußten, um dafür zu sorgen, daß das Vieh – zu dumm, um unter dem Schnee nach Gras zu scharren – keinen Hunger litt.
Bereits im November war Winter, und noch vor Monatsende versank das Tal nahezu in der weißen Pracht.
Die Skifreunde kamen in Scharen nach Big Sky oder in andere Gebiete, um die Pisten unsicher zu machen und anschließend am flackernden Kaminfeuer Brandy zu trinken. Tess spielte mit dem Gedanken, sich ihnen für ein, zwei Tage anzuschließen. Nicht, daß sie auf den Brettern ein As gewesen wäre, ihr ging es mehr um das Après. Auf jeden Fall würde sie unter Menschen sein, sich unterhalten und vielleicht ein wenig flirten können. Zwei Tage zurück in der Zivilisation.
Dafür würde es sich sogar lohnen, sich ein paar Holzlatten unter die Füße zu schnallen und einen Hügel hinunterzurutschen.
Ständig telefonierte sie mit ihrem Agenten. Es wäre nicht notwendig gewesen, doch Ira bildete die Brücke zu ihrem früheren Leben. Tess kam mit ihrem neuen Drehbuch gut voran und beschrieb in ihrem Tagebuch detailliert den Alltag auf der Ranch.
Obwohl sie den nicht besonders aufregend fand.
Sie kümmerte sich auch weiterhin um die Hühner und brüstete sich damit, es in diesem Job inzwischen zu einigem Geschick gebracht zu haben. So konnte sie mittlerweile problemlos ein Ei unter einer glucksenden Henne hervorziehen, ohne einen empörten Schnabelhieb zu ernten. Nur einmal erlebte sie eine böse Überraschung, als sie den Hühnerstall betrat und mitansehen mußte, wie Bess gerade rasch, geschickt und gnadenlos einem von Tess’ Schützlingen den Hals umdrehte.
Danach hatte es ein großes Geschrei gegeben, was aber nicht von den Hühnern verursacht wurde. Zwei von ihnen lagen mausetot am Boden, während die beiden Frauen sich
über die Leichen hinweg ankeiften. Das Abendessen – Hühnerfrikassee – ließ Tess an diesem Tag ausfallen. Sie war ein für allemal davon kuriert, ihren gefiederten, spitzschnäbligen Freunden Namen zu geben.
Jeden Abend schwamm sie einige Runden in dem Hallenschwimmbad mit Wänden aus gewölbtem Glas, das nach Süden hinaus ging. Sie mußte zugeben, daß es etwas für sich hatte, genüßlich im warmen Wasser zu plantschen, während draußen der Schnee fiel. Und trotzdem träumte sie jeden Morgen nach einem Blick auf die schneebedeckte Landschaft von Palmen und einem Lunch bei Morton’s.
Ihren Reitunterricht hatte sie aus purem Trotz nicht aufgegeben, obwohl kein Tag verging, an dem sie nicht mit blau verfärbtem Hinterteil und schmerzenden Muskeln
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