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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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sanften und gütigen Menschen, würde er mit eigenen Augen sehen, ob der Sarg des Propheten über der Erde schwebte. In dem karmesinroten Hamail, das Hadji Ali ihm geschenkt hatte, trug er anstelle eines kleinen Korans eine Uhr und einen Kompaß, ein Taschenmesser und einige Bleistifte. Wer so ausgerüstet war, der mußte sich vor den Ungeheuern nicht fürchten, höchstens vor den Menschen. Er vertrat sich ein wenig die Beine. Als er sich wieder hinsetzte, schoß der Schmerz sein Bein hinauf.
    Saad war aufgestanden. Auch er schlief schlecht. Wenn ich alle meine Aufgaben erfüllt habe, pflegte er zu sagen, werde ich ausschlafen. Er setzte Tee auf und hockte sich neben Sheikh Abdullah. Es brauchte zwei Sätze, die ereignislose Nacht zu bedenken. Gewiß freue er sich auf die Heimkehr, auf das Wiedersehen mit seinen Nächsten, fragte Sheikh Abdullah. Ich freue mich, ich freue mich sehr, aber diese Freude wird vergehen. Wieso so düster, Saad? Ichbin glücklich, für einige Wochen, dann werde ich unruhig, ich bilde mir ein, daß die Geschäfte rufen, und es drängt mich zum Aufbruch. Ich weiß, sagte Sheikh Abdullah, das Glück des Weges. Ja, der Weg, er ist unersetzbar. Trotz aller Mühsal, er ist es, der mein Herz höher schlagen läßt. Wir sind Reiter zwischen Stationen, es ist unser Schicksal, anzukommen und aufzubrechen. Und unsere langen Hoffnungen, fügte Sheikh Abdullah hinzu, spannen sich über unser kurzes Leben. Morgen werde ich, wenn Gott der Große und Glorreiche es so bestimmt, zu Hause sein, aber du, Sheikh, du hast einen langen Weg vor dir. Ich beneide dich. Es ist noch früh, willst du dich nicht hinlegen, ich werde die Wache übernehmen.
    Sheikh Abdullah schlummerte ein in Gedanken an die grüne Kuppel. Beim Aufwachen spürte er, daß bereits Aufbruchstimmung herrschte. Er öffnete seine Augen und ertappte Mohammed, der sein karmesinrotes Hamail in den Händen hielt. Er hatte es noch nicht geöffnet. Mohammed spürte den Blick, der auf ihm ruhte, er drehte langsam seinen Kopf. Sie starrten sich an. Mohammed, ertappt, unternahm einen stotternden Erklärungsversuch. Ich fand mein Exemplar des heiligen Buchs nicht, beim Gebet heute morgen, ich war mir bei einer Strophe nicht sicher. Welche Sure denn, mein junger Freund, vielleicht kann ich dir helfen? Die Sure von dem gegenseitigen Betrug. Die vierundsechzigste Sure, also? Wieso zählst du die Suren? Das ist bei uns in Indien so üblich – wir lieben die Zahlen, schließlich haben wir sie erfunden. Tatsächlich. An welche Strophe kannst du dich nicht mehr entsinnen? Der Tag, an dem Er euch versammeln wird zum Tag der Versammlung, das ist der Tag des gegenseitigen Betrugs , heißt es am Anfang. Du willst wissen, wie es weitergeht? Nein, das weiß ich wohl, aber die nächste Strophe, die weiß ich nicht mehr ganz genau, ich wollte sie nachschlagen, Verzeihung, daß ich nicht um Ihre Erlaubnis gefragt habe, Sie schliefen noch. Nicht nötig, Mohammed, es ehrt dich, daß du deine Unwissenheit sofort beseitigen willst. Ich werde sie dir sagen, die Strophe, die dir nicht mehr einfällt. Besser aus dem Munde eines Freundes als vom Blatt, nicht wahr? Diejenigen aber, die nicht glauben und unsere Zeichen der Lüge zeihen, das sind die Bewohner des Feuers für alle Zeiten; wie schlimm wird ihre Reise sein. Richtig,Gott möge es Ihnen danken, wie konnte ich sie nur vergessen? Gräme dich nicht. Du bist gewissenhaft genug. Wenn du mir bitte mein Hamail reichen könntest. Wir müssen unsere Sachen zusammenpacken. Die Karawane wird bald aufbrechen.
     
     
     
    Im Monat von Jumada al-Akhirah des Jahres 1273
    Möge Gott uns seine Gunst und Gnade erfahren lassen
     
    GOUVERNEUR: Vielleicht hat er für eine andere Macht spioniert?
    SHARIF: Sie geben zuviel auf Vermutungen.
    GOUVERNEUR: Wieso ist er in seinem eigenen Land so wenig geehrt worden? Wieso hatte er es nicht eilig, nach Hause zurückzukehren, nach der Hadj, sondern blieb, wie Sie wissen, noch monatelang in Kairo?
    SHARIF: Wem soll er gedient haben?
    GOUVERNEUR: Den Franzosen.
    SHARIF: Sie meinen, die Briten haben aus Rache das Gerücht in die Welt gesetzt, er sei ein Christ.
    KADI: Was trotzdem die Wahrheit sein kann.
    SHARIF: Oder eine Lüge, um einen Doppelagenten bloßzustellen.
    GOUVERNEUR: Er hat sich lange genug in dieser Gegend aufgehalten, um Pläne ausarbeiten zu können, wie unsere Position im Hijaz geschwächt werden könnte.
    KADI: Was für ein Interesse könnten die Franzosen daran

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