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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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    GOUVERNEUR: Muß ich es Ihnen erklären? Die Sharife von Mekka sind Meister der wechselnden Allianzen. Sie spielen Kairo und Istanbul gegeneinander aus, sie suchen Verbündete überall, selbst im Jemen. Was hindert die Franzosen daran, mit dem Sharif zu intrigieren, um Saud gegen den Sultan und den Sultan gegen die Briten auszuspielen. Dann würde der Sharif am Ende wieder alleine über Mekka, Gott möge sie erhöhen, regieren, geduldet und unterstützt von seinen neuen Freunden, den Franzosen.
    SHARIF: Unterstellen Sie mir Verrat? Das kann ich keineswegs billigen. Ich versichere Ihnen, meine Treue steht außer Zweifel.
    KADI: Sie sollten sich ein Beispiel an Ihrem Vater nehmen. Es wird gesagt, er sei ein stolzer Mann gewesen. Nicht bereit, sich anzubiedern. Wie es sich gehört für einen, der das Heiligste zu beaufsichtigen hat.
    SHARIF: Er war ein Held, ein Verteidiger des Glaubens. Ich bin mir meiner Pflicht sehr wohl bewußt.
    GOUVERNEUR: Von welcher der vielen Pflichten, die Ihr Geschlecht sich zumutet, sprechen Sie? Von der Pflicht der politischen Zweckmäßigkeit? Glauben Sie, wir hätten nicht gemerkt, wie eng Sie mit dem französischen Konsul in Djidda befreundet sind? Hat er Sie umschmeichelt, hat er Ihnen eingeredet, Sie könnten in Zukunft eine bedeutendere politische Rolle spielen?
    SHARIF: Unsere Höflichkeit, die Höflichkeit der Qitadas, war schon immer berühmt, wahrlich, sie hat noch nie einen Menschen ausgenommen, auch nicht einen Fremden oder einen Ungläubigen. Wir behandeln jeden so respektvoll wie einen Bruder. Das führt offensichtlich zu bedauerlichen Mißverständnissen.
    GOUVERNEUR: Äußerst bedauerlich.
    SHARIF: Dieser Burton, wieso machen wir so ein Geheimnis aus ihm? Vielleicht war er nur neugierig, verstehen Sie nicht, wenn einer jahrelang in unseren Landen lebt und reist und immer wieder Hadjis trifft und von der Hadj hört, wie soll er da nicht eine Sehnsucht danach entwickeln, dieses wundersame Ereignis und diese heiligen Orte mit eigenen Augen zu sehen.
    KADI: Gott der Allmächtige hat alle Menschen erschaffen, also kann es jeden Menschen nach Mekka, Gott möge sie erhöhen, ziehen.
    GOUVERNEUR: Ich gebe auf. Ihr Söhne von Mekka, ihr seid große Anhänger der guten Nachrichten, die ihr selber in die Welt setzt.
    SHARIF: Und ihr Türken, ihr vermutet unter jedem Stein einen Skorpion.
     
     
     
    Unruhe ergreift seine Gefährten. Saßen sie zuvor noch regungslos auf ihren Tieren, verschmolzen mit ihnen in Ausdauer, recken sie nun ihre Hälse nach Osten und treiben ihre Dromedare der Sonneentgegen, die in der Ferne über einer vertrauten Hügelkette aufgeht. Saad spricht ihn an, von sich aus, zum ersten Mal. Sein kleiner Garten, die köstlichsten Datteln – die Finger umschließen eine Frucht –, er selbst werde sie ihm servieren, köstlicher als alles, was er in seinem Leben bisher probiert habe. Die Vorstellung einer Palme wirkt in diesem Lavameer wie eine plumpe Lüge. Nichts deutet auf die Blüte des Islam hin, die sich bald seinen Augen darbieten wird. Außer der Unruhe seiner Gefährten. Ein Ruck ist durch die Karawane gegangen, die Geschwindigkeit erhöht, die Stimmen lauter. Einzelne Reiter preschen sorglos vor, so nahe am Ziel sind keine Überfälle zu befürchten. Ein leichter Anstieg durch ein trockenes Wadi, dann schwarze Stufen, die aus dem Basalt gehauen sind, hinauf zu einem Durchbruch. Das ist Shuab el Hadj – Omar reitet an ihm vorbei, an steiler Stelle –, gleich werden Sie sehen, Sheikh, wonach Sie sich so lange gesehnt haben. Gleich werden Sie die Wüste lieben, und mit der Wüste die ganze Welt.
    Die Reisenden bleiben auf dem Paß stehen, sie springen von ihren Dromedaren. Er sieht Silhouetten, die niederknien, er hört hohe Schreie, über dem Kamm eine Fahne der Euphorie, in Purpur und Gold. Er schließt auf. Vor ihm ein langgestreckter steinerner Tisch, reichgedeckt mit Gärten und Häusern, mit frischem Grün und Dattelpalmen. Zur Linken erhebt sich ein grauer Felshaufen, wie von einer gewaltigen Lawine aufgetürmt. Um ihn herum Jubelrufe, der Prophet wird gepriesen, wie kein anderer Mensch je gepriesen worden ist. Ewig möge er leben, solange der Westwind sanft über die Hügel von Nidj weht und der Blitz hell durch das Firmament des Hijaz schlägt. Sogar die Sonnenstrahlen, entschärft durch den Tau, huldigen ihm. Und obwohl er genauer hinschaut und dem Ausblick wenig Außergewöhnliches entnehmen kann – die Häuser sind einfache Häuser, die

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