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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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einige unscheinbare Steine, geschah der Verrat. Woher weißt du das? Mein Großvater hat mir diese Stelle gezeigt. Und woher wußte er es? Das habe ich ihn auch gefragt. Er gab mir eine erstaunliche Antwort. Einer unserer Ahnen, sagte er, war unter jenen dreihundert, die den Propheten im Stich ließen. Daran kannst du dich erinnern, fragte ich ihn? Nein, daran hat sich nicht einmal der Großvater seines Großvaters erinnern können. Er habe es geträumt. Und wie ging der Traum aus? fragte ich ihn. Wir flüchteten von dem Schlachtfeld, in Richtung Stadt, ich fühlte mich krank, ich mußte mich umdrehen, ich stolperte, mehrmals, aber ich konnte meinen Blick nicht vom Propheten loslösen, er stand ruhig da, und mit einer Stimme, die wie ein Blitzeinschlug, rief er mir hinterher: Furcht rettet keinen vor dem Tod. Ich bin aufgewacht, im Dunkeln bin ich hinausgeritten, solange mein abgebrochener Traum noch blutete. Und ich habe diesen Platz wiedererkannt. Das war hier? Genau hier.
    Sie ritten schweigend weiter zu den steilen Flanken des Berges, die sich wie gezackte, versengte Stahlplatten aufrichteten. Sie erreichten Mustarah, den Rastplatz, wo der Prophet einige Minuten in sich versunken war, bevor er in die Schlacht ritt. Eine rechteckige Einfriedung aus weißen Mauern, innerhalb deren die Pilger beten konnten. Wir werden zwei Raka darbieten, schlug Sheikh Abdullah vor. Das Schlachtfeld war nur noch einen leichten Aufstieg entfernt. Ein abfallendes Stück Erinnerung an die verlorene Schlacht, an das vergossene Blut der Unvernünftigen und Rachsüchtigen. Auf dieser Öde griff eine Armee von Ungläubigen an. Die Krieger aus Mekka stürmten aus einem Flußbett hervor, das sich in die Ferne krümmte.
    – Sie haben offenkundig nichts von Strategie verstanden.
    Alle blickten erstaunt auf Sheikh Abdullah.
    – Wieso? Was meinen Sie?
    – Die Schlacht hätte anders geführt werden können. In einer Landschaft, die so viel natürlichen Schutz bietet, ist dies ein denkbar ungünstiger Platz.
    – Ihr Inder, ihr seid wohl durchtriebenere Kämpfer?
    – Die Bogenschützen hätten sich hinter den Felsenbrocken postieren können, auf breiter Front.
    – Hört ihr das? Unser Bruder gewinnt im nachhinein die verlorene Schlacht von Ohud. Was für ein Unglück, daß Medina über keine indischen Berater verfügte.
    – Ob die Strategie gut oder schlecht war, am Anfang sah es gut aus für uns. Obwohl die Weiber von Mekka ihre Männer antrieben. Ihre Stimmen drangen bis zu unseren Kriegern. Wenn ihr kämpft, schrien sie wie Pfauen, umarmen wir euch, breiten sanfte Decken unter euch aus, doch wenn ihr weicht, geben wir uns nie wieder hin. Wir sind siebenhundert, die Ungläubigen sind dreitausend, und trotzdem treiben wir sie vor uns her. Vielleicht weicht der Gegner absichtlich zurück? Nein, sie wehren sich mit aller Kraft. Hätten nur unsere Bogenschützen den Befehlen des Propheten gehorcht. Aberkaum erreichen sie das Lager des Feindes, halten sie die Schlacht für gewonnen, sie geben ihre Formation auf und beginnen zu plündern. Der Feind kann uns in den Rücken fallen.
    – Strategie, meine Rede.
    – Der größte Feldherr kann nichts ausrichten gegen den Ungehorsam seiner Gefährten.
    – Wir werden zurückgetrieben, wir kämpfen, wie Moslems, einig und unnachgiebig. Wir laufen nicht auseinander, wir sammeln uns vor dem Zelt des Propheten, möge Gott ihn mit Frieden segnen, und kämpfen verzweifelt weiter. Der Prophet ist verwundet worden. Fünf der Ungläubigen haben geschworen, ihn zu töten. Einer von ihnen, Ibn Kumayyah, alle Verwünschungen Gottes über ihn, hat einen Stein nach dem anderen geworfen, zwei Ringe im Helm des Propheten, möge Gott ihn mit Frieden segnen, sind abgebrochen, sie graben sich in sein Gesicht hinein, Blut fließt von seinen Wangen herab, über seinen Schnurrbart, er wischt es auf mit einer Ecke seines Gewandes, damit kein Tropfen zur Erde fällt. Ein anderer Ungläubiger, Utbah bin Abi Wakkas, alle Verwünschungen Gottes über ihn, wirft einen großen, spitzen Stein, der den Propheten am Mund trifft. Seine Unterlippe ist gespalten, er verliert einen Vorderzahn. Mehrere Vorderzähne. Das ist nicht überliefert. Zweifelst du das Wort eines Muftis an? Nein, nicht wenn der Mufti zudem noch Großvater der Behauptung ist. Einigen wir uns auf zwei Zähne. Unserem Fahnenträger wird die rechte Hand abgehauen, er packt die Fahne mit der linken Hand, die linke Hand wird ihm abgehauen, er hält die Fahne mit den

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