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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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kostet die wenige Zeit aus, die ihm auf dem Hügel bleibt. Ansonsten ist er nie allein. Seine Begleiter haben ihn gnadenlos adoptiert. Mohammed ist wie ein umtriebiger junger Cousin, der stets um ihn herumscharwenzelt. Auch Saad sucht unterwegs seine Gesellschaft, er hat seine Wortkargheit zugunsten einer unermüdlichen Geschwätzigkeit abgelegt. Je näher sie Mekka kommen, desto intensivere Ratschläge teilt Salih aus. Wenn Sheikh Abdullah sich irgendwohin aufmacht,fragen sie ihn streng, wohin er denn gehe, so als sei es seine Pflicht, Rechenschaft abzulegen.
    Inzwischen sind die letzten Spuren der Sonne vom Teer der Nacht bedeckt. Einzelne Lagerfeuer flackern auf, über dem Talgrund verstreut wie Sterne. Später wird er durch das Lager spazieren und sich an ein Feuer setzen. Vieles, was er hört, ist eitel und dümmlich, aber gelegentlich horcht er auf, bemüht, sich jedes Wort zu merken. Zum Beispiel die Erzählungen eines gesichtslosen Mannes aus Ägypten, früher im Dienste von Mohammed Ali Pascha, der für diesen die Routen der Sklavenkarawanen nach Süden hin ausgekundschaftet habe, dabei viel gereist sei, tiefer und tiefer in die Länder der schwarzen Menschen hinein, weit über das Ende der Wüste hinaus, dorthin, wo Trockenheit unbekannt sei, bis zu den großen Seen, deren Ende er nicht gesehen habe, aber die schwarzen Menschen wüßten von anderen Ufern dieser Seen, die sie Nyassa, Chama und Ujiji nannten. Am gewaltigsten aber sei der See im Norden namens Ukerewe, ein rundes Meer inmitten des Landes. Sheikh Abdullah wickelt seinen Umhang enger. An diesem Abend wird er, ungeachtet des unvollständigen Schlafes von Mohammed, alles aufschreiben müssen, auf Papierfetzen, die er gleich in seiner Medizinschatulle verstecken wird, vergraben unter Granulat. Wer weiß, vielleicht würden sich diese Informationen noch als nützlich erweisen.
     
     
     
    Die Pilger mußten viele kleine Überfälle über sich ergehen lassen, aber erst nachdem sie ihre Gewänder abgelegt und sich in die zwei weißen Tücher der Pilgerschaft gehüllt hatten – das eine Tuch um die Hüften geschwungen, das andere um die Schultern gewickelt –, erfolgte der Angriff, den sie seit dem Verlassen von Medina befürchtet hatten. In Al-Zaribah waren sie auch frisiert und rasiert worden, sie hatten sich die Nägel geschnitten und sich so gut es ging gewaschen. Sie waren mit dem Gefühl aufgebrochen, daß die Anreise beendet war. Zum ersten Mal erklangen die Rufe, die sie von nun an bis zum Bezeugten Tag am Berg Arafah begleiten würden – Labbayk Allahhuma Labbayk, erklang es von allen Seiten.Die Gruppe von Sheikh Abdullah war im Laufe der Tage in Begleitung vieler verschiedener Pilger geritten. Nun kreuzten sie den Weg einer Ansammlung von Wahhabis, angeführt von einer Kesseltrommel und einer grünen Flagge, auf der das Glaubensbekenntnis in weißen Lettern prangte. Sie ritten in zwei Reihen; sie sahen so aus, wie Menschen an der Küste sich wilde Bergleute vorstellen: dunkelhäutig, grimmig dreinblickend, ihr Haar zu dicken Zöpfen geflochten, ein jeder bewaffnet mit einem langen Speer, einer Luntenmuskete oder einem Dolch. Sie saßen auf groben hölzernen Sätteln, ohne Kissen oder Steigbügel. Die Frauen taten es den Männern gleich, sie ritten ihre eigenen Dromedare, oder sie saßen auf kleinen Sattelkissen hinter ihren Männern. Sie schätzten den Schleier nicht, und sie gebärdeten sich in keiner Weise wie das schwächere Geschlecht.
    Mit dieser einschüchternden Schar im Rücken erreichten sie einen weiteren Einschnitt, zu ihrer Rechten ein hoher Felsen, an seinem Fuß ein Gerinne, und zu ihrer Linken eine jähe Steilwand. Der Weg vor ihnen schien versperrt zu sein von einer Hügelsilhouette, die sich in der blauen Ferne verlor. Die oberen Sphären waren noch von der Sonne beleuchtet, aber unten, wo sie zu reiten hatten, zwischen dem Felsen und der Steilwand, machten sich finstere Schatten breit. Die Stimmen der Frauen und Kinder wurden leiser, die Labbayk-Rufe erloschen allmählich. Eine kleine Rauchlocke war auf dem Gipfel des Felsens zur Rechten zu erkennen, und im nächsten Augenblick krachte eine Gewehrsalve. Ein Dromedar, das nicht weit vor Sheikh Abdullah trottete, knickte seitwärts zu Boden. Die Beine zuckten einige Male, dann erstarrte das Tier, das Gefüge der Karawane explodierte, noch bevor weitere Salven einschlugen, kaum hörbar im Geschrei und Gebrüll. Jeder trieb sein Tier voran, rasch aus dieser Todesenge heraus.

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