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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Zügel verwickelten sich. Die Köpfe der Tiere stießen aneinander. Keiner kam mehr voran, die Schüsse entrissen dem wütenden Gewühl einzelne Tiere und einzelne Menschen, die tot umfielen oder zu Tode getrampelt wurden. Die Soldaten hasteten hin und her, sie gaben sich gegenseitig Order. Nur die Wahhabi reagierten überlegt und mutig. Sie galoppierten heran, ihre Zöpfe flogen im Wind. Manche hielten an und zielten auf die erhöhte Position der Angreifer; einige hundert von ihnen begannenden Felsen hinaufzuklettern. Bald wurden die Schüsse seltener und verstummten schließlich völlig. Sheikh Abdullah hatte alles nur beobachten können. Salih stand neben ihm. Je näher du dem Ziel deines Lebens kommst, sagte er, desto gefährlicher wird es. Stell dir vor, nur einen Tag von der Kaaba entfernt sterben zu müssen! Sie sprachen ein kurzes Gebet und saßen wieder auf. Eine blindwütige Finsternis drohte die Karawane zu verschlingen. Ohne daß jemand einen Befehl erteilt hätte, wurden die Trockenbüsche entlang des Weges angezündet. Die zerklüfteten Felsen zu beiden Seiten überragten sie wie mißgestimmte Riesen. Vor ihnen öffnete sich ein Abstieg tiefer in die Schlucht hinein. Der Rauch der Fackeln und der brennenden Büsche hing über ihnen wie ein Baldachin, der Feuerschein teilte die Welt in zwei düstere Hälften, auseinandergehalten von einem stygischen Rot. Die Dromedare stolperten, blind in der Nacht und geblendet von dem grellen Licht. Manche rutschten den Hang hinab in das Bachbett. Wenn sie sich verletzten, gab es keine irdische Kraft, sie herauszuholen – das Gepäck wurde umgeladen, wenn Freunde zugegen waren, und die Reise wurde auf dem Rücken eines anderen Tieres fortgesetzt oder zu Fuß. Als sie früh am nächsten Morgen der Schlucht entkamen, waren sie ausgelaugt bis in die Knochen; zu müde, um Erleichterung zu spüren.
    Am nächsten Tag ritten sie in Mekka ein.
     
     
     
    Im Monat von Shaaban des Jahres 1273
    Möge Gott uns seine Gunst und Gnade erfahren lassen
     
    KADI: Wir kommen nicht weiter. Wir sollten uns kostbareren Aufgaben widmen und diesen Fall auf sich beruhen lassen.
    GOUVERNEUR: Im Gegenteil. Was wir bisher erfahren haben, zwingt uns geradezu, weiter nachzufragen. Ein dunklerer Fall ist mir noch nie untergekommen.
    KADI: Wen können wir denn noch befragen?
    GOUVERNEUR: Nicht wen, sondern wie.
    SHARIF: Durchaus möglich, daß uns der eine oder andere nicht dieWahrheit gesagt hat. Wer höflich fragt, erhält meist eine höfliche Antwort.
    GOUVERNEUR: Wir könnten nachdrücklicher fragen.
    SHARIF: Wir sollten vorsichtig sein, wen wir zu so einer Befragung zu uns rufen.
    KADI: Omar Effendi kommt nicht in Frage, er ist Enkel des Muftis …
    GOUVERNEUR: Wissen wir, natürlich.
    SHARIF: Salih Shakkar vielleicht?
    GOUVERNEUR: Wenn einer die Wahrheit sagt, dann er.
    SHARIF: Wieso?
    GOUVERNEUR: Er ist Türke, er achtet den Sultan und liebt Stambul.
    KADI: Eine Garantie gegen Heuchelei.
    GOUVERNEUR: Hamid al-Samman ist gut geeignet. Er hat sein Dach mit dem Fremden geteilt.
    SHARIF: Auf mich hat er einen sehr aufrichtigen Eindruck gemacht.
    GOUVERNEUR: Er war verschlossen und seine Auskünfte unergiebig wie geräuchertes Fleisch.
    SHARIF: Nein, nicht Hamid.
    GOUVERNEUR: Wieso nicht?
    SHARIF: Nun, wenn Sie es unbedingt wissen müssen, ich habe erfahren, daß er mit einer meiner Frauen verwandt ist, und die Beziehungen zu ihrer Familie, die sind mir außerordentlich wichtig.
    KADI: Und Saad?
    SHARIF: Ein ehemaliger Sklave.
    GOUVERNEUR: Der Schwarze.
    KADI: Der Dämon. Das ist kein guter Beiname.
    GOUVERNEUR: Er reist viel, auch in die Länder der Ungläubigen. Nach Rußland sogar! Das muß Mißtrauen erwecken. Wer weiß, wem seine Loyalität gilt.
    SHARIF: Er wird keine starken Fürsprecher haben.
    GOUVERNEUR: Seine Geschäfte führen ihn oft nach Mekka.
    KADI: Wir werden sehen, wieviel Gottesfurcht in ihm steckt.
     
     
     
    Er war auf alles vorbereitet, selbst daß er entlarvt werde und umgebracht, aber es ist ihm nie in den Sinn gekommen, daß seine Gefühle ihn überwältigen könnten. Er kann nicht weitergehen; er muß immer wieder innehalten. Nichts in ihm widersetzt sich der aufgehenden Beglückung. Um ihn herum tobt Verehrung in allen Gesichtern. Vor ihm steht eine Idee, die Kaaba, eine anschaulich klare Idee, in Schwarz gehüllt, der Stoff ein Brautschleier, die goldene Verzierung ein Liebeslied. Oh höchst glückliche Nacht. Er spricht die zauberhaften Sätze nach, er versteht

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