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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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wäre der Mensch ohne Ehre und ohne Maß.
    – Ich habe mit eigenen Augen erlebt, Baba Yusuf, wie die Bestraften bei der nächsten Gelegenheit wieder das taten, weswegen sie gezüchtigt wurden. Die Peitsche hinterläßt keine dauerhaften Spuren auf einer Haut, die abgeworfen wird. Glaubt mir, meine Freunde, der Mensch häutet sich wie eine Schlange. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn mit völliger Sicherheit von einer Tat abzuhalten: Du mußt ihn töten.
    – Das hatte Bwana Stanley offensichtlich begriffen.
    – Aber was nutzte es ihm? Er hatte danach einen Träger weniger.
     
     
     
    Von Kingani nach Bomani, von Bomani nach Mkwaju la Mvuani, jeden Abend notiert er die Namen mit Sorgfalt, die Namen der Orte grundieren seinen Bericht; von Kiranga-Ranga nach TumbaIhere, von Tumba Ihere nach Segesera, noch befinden sie sich in der Region der etablierten Namen, bestätigt von seinen Unterlagen, von Gewährsleuten entlang des Weges – in Küstennähe herrscht Eintracht über die Nomenklatur; von Dege la Mhora nach Madege Madogo, von Madege Madogo nach Kiruri in Khutu, jeder Ort geometrisch und hypsometrisch erfaßt – die ordentliche Liste läßt keine Unklarheit aufkommen, sie bannt das Unheil. Sie stehen noch am Anfang, er stellt sich jedem Problem, voller Zuversicht, es mit einigen Handgriffen, mit einer kleinen Anpassung, lösen zu können. Alles kann noch ins Lot gebracht werden. Die Natur bietet einige Entdeckungen. Die Bäume, die sich an lange Trockenzeiten so hervorragend adaptiert haben, sie heißen Miombo, und er kann drei Arten unterscheiden, die Julbenardia, die Brachystegia und die Isoberlinia, letztere dient den Elefanten als Futter. Die hohen Bäume mit den geraden Stämmen und der gelben Rinde (Taxus elongatus oder damit verwandt); die zwergwüchsigen Fächerpalmen (Chamaerops humilis, mit Sicherheit); der chinesische Dattelbaum (Zizyphus jujuba, umgangssprachlich der Jujube-Baum); die einheimischen Sorten der Hyphaena und der Nux vomica, die verschiedenen Laubbäume: die Sterculia mit der hellgelben Rinde und der dichten, runden Krone; die Kapok, mit den großen Schoten, außen dunkelbraun, innen weiß und flauschig. Bei seinen Beobachtungen erlaubt er sich keine Nachlässigkeit: Die gelben Früchte werden nicht gepflückt, sehr wohl aber vom Boden aufgelesen, das Fleisch ist in Farbe und Geschmack mit der Mango verwandt, die großen Samen giftig oder bitter – warnte die Natur nicht mit Bitternis vor Gift? –, sie werden von allen ausgespuckt. Grün ist in diesen ersten Wochen eine Farbe der Kultivierung, die Parzellen zu beiden Seiten des Flusses dichtbepflanzt mit Reis, Mais, Maniok, Süßkartoffeln und Tabak. Es ist ein fruchtbares Land – Burton kann seine glückselige Entwicklung mit offenen Augen vorhersehen, es bedarf dazu nur einer ordnenden Hand.
    Je mehr seine Vertrautheit wächst, je mehr er die Fremde enträtselt, desto leichter fällt es ihm, ihre Bedrohlichkeit zu entschärfen. Er gewöhnt sich an das schonungslos beharrliche Trommeln in der Ferne, dem der Jemadar jedes erdenkliche Grauen unterstellt, umseinen dreizehn Soldaten abstruse Scheinmanöver aufzuerlegen. Er gewöhnt sich an die Bedächtigkeit alter Männer, Dorfvorsteher mit Namen, die wie Versprecher klingen. In Kiranga Ranga regnet es zum ersten Mal, in Tumba Ihere sehen sie zum letzten Mal einen Mangobaum. In Segesera streiten sich zum ersten Mal die Belutschen; sie müssen auseinandergerissen werden, bevor ihre Dolche Tribut fordern; in den Wäldern nahe Dege la Mhora erblicken sie Meerkatzen, die sich so flink durch die Wipfel katapultieren, daß die Schüsse von Speke gegen Äste hallen, und mit jedem Echo verliert er an Respekt, weil er sein Gewehr gegen Meerkatzen richtet und weil er das Ziel verfehlt hat. In Madege Madogo stirbt der erste Esel, weitere Tiere verenden in den Tagen danach, ein erster Träger verschwindet, die Stimmung der Expedition sinkt wie das Barometer. Unerwartet früh müssen sie die Reittiere beladen, und bald müssen sogar die Anführer der Expedition zu Fuß gehen.
    Obwohl Burton zu Fuß kaum langsamer ist als die Esel, verändert sich seine Wahrnehmung, sobald er absteigt. Seine Aufmerksamkeit wird von den eigenen Schritten gefangengenommen, der Aneinanderreihung von Hunderten und Tausenden von Schritten. Nach der frühmorgendlichen Frische, in der er seinen Blick auf alles richtet und sein Geist alles aufzunehmen scheint, konzentriert er sich allmählich, erhitzt und unwillig, auf seine

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