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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Gesichter verdüsterten, wenn sie erfuhren, sie seien nicht die ersten, ihnen sei jemand zuvorgekommen, die dunkelsten Wolken zogen sich über ihren Gesichtern zusammen, bei der geringsten Gefahr, ihnen könnte jemand zuvorkommen. Nie werde ich die Verblüffung von Bwana Speke und Bwana Grant vergessen, als sie am Rande des größten aller Seen einen anderen Mzungu trafen, der schon seit Jahren dort handelte, einen Kaufmann mit dem Namen Amabile de Bono, der zwar nicht aus ihrem Land stammte, aber von einer Insel, die von ihrer Königin erobert worden war. Ihr könnt euch nicht die Sorge auf dem Gesicht von Bwana Stanley vorstellen, in den langen Monaten, in denen er vermuten mußte, Bwana Cameron eile ihm mit einer anderen Karawane voraus, Bwana Cameron könnte dererste sein, der das Land von dem Ort des Sonnenaufgangs zum Ort des Sonnenuntergangs durchquert. Es war eine Anspannung in ihm, die ihn jeden Abend fluchen und nur das Schlechteste über einen Menschen sagen ließ, dessen Bekanntschaft er nie gemacht hatte. Ich versuchte Bwana Stanley zu beruhigen. Pflückt Bwana Cameron alles, sagte ich zu ihm, was entlang des Weges wächst? Wird er denn nichts für Sie übriglassen? Worauf er mir grob antwortete: Das verstehst du nicht. Ich habe mich geärgert über seine Antwort, damals, aber heute gebe ich es gerne zu: Ich verstehe die Wazungu nicht.
    – Ich weiß genau, was du meinst, Baba Sidi, es gibt immer jemanden, der noch früher aufgestanden ist als du selber. Als ich ein junger Mann war, arbeitete mein Vater für einen Araber, der mit zwei anderen Arabern und vierzig Trägern zu dem großen See marschiert ist, von dem du sprichst, immerzu gen Westen, und als sie den See erreichten, haben sie ein Boot gebaut, und mit diesem Boot haben sie über den See gesetzt, und dann besuchten sie ein Land, das Muata Cazembe hieß, ich habe mir diesen Namen gemerkt, Muata Cazembe, denn er klang für mich wie ein Anfeuerungsruf, und dann erreichten diese Araber, nach sechs weiteren Monaten, das andere Ende des Landes, die andere Küste, und die Sonne ging vor ihnen unter, und sie trafen dort auf Wazungu, die einen Handelsposten aufgebaut hatten, andere Wazungu als jene, die sie aus Sansibar kannten, Menschen von den Portugiesen, und der Ort, den diese Menschen gegründet hatten, hieß Benguela.
    – Oh, das hieße, sie haben das ganze Land durchquert, wenn Bwana Stanley oder Bwana Cameron das wüßten, diese Nachricht würde mehrere Töpfe ihres Stolzes vergiften. Sie könnten sich nicht mehr damit brüsten, als erste das Land von Osten nach Westen durchquert zu haben, sie müßten lernen, Fußstapfen in anderen Fußstapfen zu sein, sie müßten die Vorstellung ertragen, Nachzügler zu sein. Für sie war jedes Dorf, jeder Fluß, jeder See, jeder Wald wie eine Jungfrau, und sie hatten Begierden von Riesen, die nur zufriedenzustellen waren, wenn sie sich all dieser Jungfrauen bemächtigen konnten. Um diese Gelüste zu befriedigen, nahmen sie alles auf sich, sie erlitten die Kälte, sie erlitten das Fieber, sie erlitten die Bisse undStiche von Zecken und Mücken und Fliegen, Stiche, die Schwellungen verursachten, die über Nacht wuchsen, bis sie so juckten, daß wir glaubten, wahnsinnig zu werden. Und alles, was die Wazungu erlitten, mußten auch wir erleiden. Das war die schreckliche Erkenntnis, die sich mir aufdrängte, meine Freunde, bald nachdem wir aufgebrochen waren. Wir waren Gefangene einer Karawane, die dem Wahn zweier Wazungu ausgeliefert war, dem Wahn, durch die Hölle zu marschieren, um an ein Ziel zu gelangen, von dem keiner genau wußte, wo es war, wie es war, was es war. Und für uns gab es keine Aussicht auf Erlösung, nur einen Sold, einen kleinen Sold, der zur Hälfte schon bezahlt war und den jene, die in Sansibar Familie hatten, bei ihren Kindern und Frauen zurückgelassen hatten. Mit jedem Stich der stacheligen Kugeln des Akazienbaums wurde mir klarer, auf was ich mich eingelassen hatte. Und für mich gab es keinen Weg zurück. Die Träger, sie konnten versuchen wegzulaufen, weil sie den Weg nach Hause kannten, weil wir ihrem Zuhause entgegengingen, weil keiner in ihrem Dorf sie später zur Rechenschaft ziehen würde, aber ich, selbst wenn ich es alleine durch die Wälder und die Steppen bis zur Küste zurück schaffen sollte, wenn ich auf dieser einsamen Reise nicht verenden, nicht von einem wilden Tier gerissen und nicht in die Fänge der Sklavenhändler geraten würde, ich könnte mein Gesicht nicht mehr

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