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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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hier in Sansibar zeigen, ich war von dem Sultan selbst dazu auserkoren worden, diese Wazungu zu begleiten und ihnen zur Seite zu stehen, bis zu ihrer Rückkehr oder bis zum Ende. Ich mußte weitergehen, ich mußte die Stiche weiter ertragen, für mich gab es nur einen Ausweg, den Weg durch die Hölle.
    – Spuckst du wieder große Töne, du alter Schwadroneur. Trägst du wieder mal dick auf?
    – Was hast du schon gehört, Frau?
    – Wenn du irgendwann in deinem Leben auf etwas anderes achten würdest, als auf deine eigenen Geschichten, dann würde dir auffallen, wie du und deine Freunde die Gasse verstopfen.
    – Die Fensterläden knacken unter deinen Tiraden. Wovon sprichst du?
    – Es kleben so viele Zuhörer an deinen Lügengeschichten, keinanderer kann mehr durch die Gasse kommen. Da ist eine Wagenfuhre, wenn du dich mal aufrichtest, siehst du sie, der arme Mann wartet schon ewig auf das Ende deines Geschwafels.
     
     
     
    Abwechslung, immer wenn sie sich einem Dorf nähern. Die Musketen werden in die Luft gefeuert, selbst der erschöpfteste Träger reißt sich zusammen und reiht sich ein in den Stolz der Karawane, die beäugt wird von den Kindern und den Frauen – mit Sicherheit sind im Hintergrund auch die Augen der Männer auf sie gerichtet. Bei diesen Einmärschen hat Burton das Gefühl, alle Beteiligten führen eine szenische Inszenierung auf, ein dramatisches Gehabe, das ihnen vergeht, sobald sie dem Dorf den Rücken kehren: die Schultern sinken, die Füße schlurfen, die Stimmung schleift über den Boden.
    Entschädigung gibt es abends am Lagerfeuer. Manchmal kann er sein eigenes Wort im Gespräch mit Speke nicht verstehen unter dem Lärm der Lieder und des Gelächters. Trommeln werden geschlagen, Glocken erklingen und altes Eisen klappert. Einer der Belutschen, Ubaid, holt eine Sarangi hervor und versammelt alle Halunken des Lagers um sein kräftiges Gekratze herum, so als würde er die Schuppen eines riesigen Fisches abschaben. Hulluk, der Narr der Karawane, übernimmt die Rolle eines Nautsch-Mädchens und tanzt mit vortrefflicher Liederlichkeit. Nach einer großzügigen Gabe an Verrenkungen und Grimassen scheint er entschlossen, mehr zu wagen, seiner Figur mehr Tiefe zu verleihen. Er stellt sich auf den Kopf und beginnt mit seinen Hüften zu wackeln, zu zucken, die Fersen wölben sich von den dürren Knochen wie Fladenbrote, denen zuviel Hefe beigemischt worden ist. Dann verschränkt er, immer noch kopfüber, die Beine im Schneidersitz, und in dieser Position imitiert er den Ruf eines Hundes, der hungrig, einer Katze, die traurig, eines Affen, der dreist, eines Kamels, das bockig ist, und die Rufe eines Sklavenmädchens, das alle Männer des Lagers in dieser Nacht mit lustvollen Versprechen zu sich lockt. Schließlich rollt sich Hulluk in einer unvermittelten und erstaunlich flüssigen Bewegung über denBoden, bis er gekrümmt wie die Verlegenheit vor Burton zu sitzen kommt und auch diesen nachahmt, mit bellender Befehlsgewalt, so unnachgiebig ausdauernd, bis er einen Dollar erhält für seine unverschämte Mühe, den Burton gerne gibt, weil das Lager im gemeinsamen Lachen den Tagesmarsch vergessen hat. Als der Narr allerdings eine weitere Münze fordert, erhält er einen Tritt – er rauscht davon, mit einer Stimme, die so übertrieben von den Enttäuschungen der Liebe piepst, daß alle Lacher ihr hinterhereilen wie herrenlose Köter.
     
     
     
    SIDI MUBARAK BOMBAY
    Es waren anstrengende Tage, meine Brüder, hinterhältige Tage, als wir die Wunden unserer heutigen Narben erhielten, Tage, die uns in noch qualvollere Nächte zogen. Die Luft stand, die Moskitos schwirrten, die Kälte befingerte uns mit rauhen Händen, ein Räuber, der sein Opfer immer wieder filzt. Es war, als wollte die Nacht uns all dessen berauben, was in uns war. Einmal trieben uns Heerscharen von schwarzen Ameisen aus den Zelten, sie bissen zwischen unsere Finger und zwischen unsere Zehen, sie bissen in jede weiche Stelle unserer Körper. Die Maulesel, die noch dünnhäutiger sind als Baba Ali, sie schrien und schrien, bis sie wahnsinnig wurden, und jeder von uns glaubte, der nächste Biß werde auch ihn in den Wahnsinn treiben. Der Jemadar, der ansonsten herumstolzierte, als sei er der kleine Bruder der Wazungu, schlich durch das Lager wie ein Vorfahre, der in Vergessenheit geraten war. Nicht nur er, alle waren kopflos, die Belutschen und die Träger. Es wurde geflüstert am Feuer, es wurde beraten, und die Lösung, die aus

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