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Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Der Weltensammler: Roman (German Edition)

Titel: Der Weltensammler: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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ohne Absichtserklärung, der Kompaßnadel, die dem Gebet vorangeht. Die nahe Kerze wirft einen Schein auf seine übereinandergelegten Hände. Hinter seinen halbgeschlossenen Augen ist alle Unruhe verflogen. Die letzten Gedanken lösen sich auf, wie die Tropfen an seinen Augenbrauen, an seinem Bart. Er überläßt sich dem Rhythmus der Bewegungen. Alles ist vergessen außer den Regularien des Gebets. Reine Selbstverständlichkeit. Nachher, als er aus der Moschee tritt, fühlt er sich mit allem versöhnt. Einige Palmen legen ihre Köpfe in den Wind, die Nacht ist in jedem Ausschnitt wundersam, den eigenen und den fremden Geistern verdankt, und er, der einsame Wanderer, kann sich das schmutzige, hastige, grelle und bedrückende Leben des hellichten Tages nicht vorstellen.
     
     
     
    Sheikh Mohammed Ali Attar wurde ihm als Lehrer empfohlen, und tatsächlich, als dieser alte Mann eintrat, stand ein Vortrag auf seiner gerunzelten Stirn geschrieben. Aywa, aywa, aywa, murmelte er, bevor er mit seiner Unterweisung begann, einem Sachverhalt voller juristischer Vernietung und Vernagelung. Sheikh Abdullah ließ den Lehrer reden, bis dieser ausgelaugt war, aber keineswegs ans Ende gelangt. Dann erst ergriff er das Wort, um zu beschreiben, was er sich selber an geistiger Nahrung verordnet hatte, und er bat den gelehrten Sheikh Mohammed Ali Attar, ihm diese zu liefern und keine andere. Sheikh Mohammed erfüllte seinen Wunsch auf Umwegen; bald mischte er sich ein, mit Rat und mit Tadel über das Verhalten seines Schülers, in allen Bereichen des Lebens. Aywa, aywa, aywa, was bedeutet also Hadj? Ein Streben! Wonach? Nach der besseren Welt. Was sind wir auf Erden, wenn nicht Reisende mit einem höheren Ziel. Was ist schon die Mühsal jetzt im Vergleich zur ewigen Belohnung. Wer also gesund ist, versorgt für die Dauer der Reise, und wohlhabend genug, überall Wasser kaufen und die Fahrtstrecke zahlen zu können … was schreibst du denn ständig auf, mein Guter, was für eine schlechte Angewohnheit ist das? Gewiß hast du sie aufgegriffen im Land der Farandjah. Bereue, bevor es zu spät ist. Bereue. Aywa, aywa, aywa, im Ihram darfst du dein Haar nicht schneiden und nicht zupfen, selbst nicht, um es zu kürzen, weder am Kopf noch unter den Armen, am Geschlecht, am Bart oder an irgendeinem anderen Teil des Körpers, und solltest du dich einer Verfehlung schuldig machen, so mußt du zum Ausgleich 0,51 Liter Nahrung den Armen zu Mekka spenden, das gilt für ein Haar, für zwei Haare das Doppelte, ich muß dir sagen, vergeude nicht dein kostbares Wissen, mein Sohn, du hast dich selbst und deine zwei Diener zu ernähren. Die Ärzte Ägyptens, sie würden nicht einmal Alif und Baa schreiben ohne eine Entlohnung. Schämst du dich deiner Leistungen, daß du keinen Lohn verlangst? Was suchst du dir und uns zu beweisen? Besser wäre es, du würdest dich auf einen Berg zurückziehen und Tag und Nacht deine Gebete sprechen. Aywa, aywa, aywa, merke dir, du mußt in Safa beginnen und nach Marwa gehen, und diese Strecke mußt du siebenmal wiederholen, die gesamte Strecke, keinen Schritt weniger, und solltest du dir nichtmehr sicher sein, wie oft du die Strecke gegangen bist, so gehe von der niedrigeren Zahl aus und rezitiere den Glorreichen Koran, und wenn du die grüne Markierung in der Mitte erreichst, so nimm deine Füße in die Hand und laufe die wenigen Schritte bis zur zweiten grünen Markierung, ich kann es nicht verstehen, mein Lieber, dein Diener hat zwei Pfund Fleisch aufgeschrieben und du läßt ihn gewähren, du hast ihn nicht zur Rede gestellt. Wohin soll das führen? Sagst du niemals: Gott hüte uns vor der Sünde der Verschwendung! Aywa, aywa, aywa, sieben Steine hast du bereitzuhalten, für die erste Säule, jene, die der Al-Khayf-Moschee am nächsten ist, und du wirfst die Steine einen nach dem anderen, du zielst so gut du kannst auf die Säule, und wenn du nicht triffst, so mußt du noch einmal werfen, und wenn du fertig bist, gehst du weiter zur nächsten Säule. Hast du eine Frau? Nein? Wahrlich, dann mußt du dir eine Sklavin kaufen, mein Junge! Dein Verhalten ist nicht Rechtens, und die Männer werden von dir sagen – Reue, ich nehme Zuflucht in Gott –, in Wahrheit wässert sein Mund nach den Weibern anderer Moslems.
    So lehrte Sheikh Mohammed seinen Schüler Sheikh Abdullah, in dem vorderen Zimmer einer Unterkunft in einem Wakalah in Kairo, aber er war bereit, wie er am Ende ihrer Treffen laut und wiederholt verkündete,

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