Der Weltensammler: Roman (German Edition)
Derwisch die Antworten nicht verweigern konnten. Kenntnis der Familienverhältnisse, der Befindlichkeiten, war die halbe Heilung. Er gab ein demutsvolles Entree, er verbeugte sich vor allen Anwesenden und führte die rechte Hand an seine Lippen und seine Stirn. Wenn sie ihn fragten, was er zu trinken wünsche, so verlangte er etwas, das mit Sicherheit nicht vorrätig war, um sich schließlich mit einem Kaffee und einer Wasserpfeife zu bescheiden. Er prüfte zuerst den Puls seines Patienten, betrachtete dann die Zunge und blickte ihm schließlich in die Pupillen. Er befragte ihn ausgiebig und führte dann seine Gelehrsamkeit vor. Seine Ausführungen waren mal griechisch, mal persisch furniert, oder zumindest, wenn sein Wissennicht ausreichte, mit griechischen und persischen Suffixen angereichert. Der Patient redete ohne Amen von seinen Beschwerden – die Diagnose erkannte auf eine vorübergehende Schwächung einer der vier Verfassungen, worauf der Arzt aus Indien etwas Handfestes verschrieb, etwas Deftiges: ein Dutzend gewaltiger Brotpillen, getunkt in Aloesaft oder Zimtwasser, gegen die Dyspepsie des Wohlhabenden, und er versäumte es nie ›im Namen Gottes‹ eine schmerzhafte Therapie hinzuzufügen ›des Allbarmherzigen‹ die Haut regelmäßig zu reiben etwa ›des Erbarmers‹ mit einer Pferdehaarbürste. Die Behandlung gipfelte in dem unvermeidlichen Feilschen um das Entgelt. Der Arzt verlangte fünf Piaster, der Patient beschwerte sich, der Arzt gab sich unbeugsam, bis der Patient, über die maßlose Gier der Inder schimpfend, einige Münzen auf den Boden warf, sich weiter empörte, gar seine Heilung in Zweifel zog, und zu dem Schluß gelangte: Die Welt ist ein Kadaver, und jene, die nach ihr verlangen, sind Aasgeier. Der Derwisch konnte sich solch ein ungebührendes Verhalten nicht gefallen lassen: Er drohte, künftige Erkrankungen nicht zu behandeln, dies Haus auf ewig zu meiden und den anderen Meistern der Heilkunst nicht zu verschweigen, welch seelische Kränkung er hier erlitten habe.
Schließlich und letztlich hatte er ein Rezept zu hinterlassen, weswegen er um Feder, Tinte und Papier bat, und dann schrieb er, in einer Schrift, die ihre eigene Verschnörkelung kaum im Zaum halten konnte … im Namen Gottes … Lob an den Herrn aller Welten, den Heiler, den Gesunder … und Friede sei mit seiner Familie und seinen Begleitern … danach möge er aber Honig und Zimt und Album Graecum zu gleichen, halben Einheiten vermengen, und ein ganzes Teil von Ingwer, das zu mahlen ist mit der Honigmischung, und daraus sind Kügelchen zu drehen in Fingernagelgröße, und täglich eines von ihnen auf die Zunge zu legen, bis es mit dem Speichel zerrinnt. Wahrlich, die Wirkung wird wundersam sein … und er möge Abstand halten von Fleisch und Fisch, von Gemüse und Süßspeisen und von aller Nahrung, die Blähungen oder Sodbrennen verursacht … so wird er gesunden durch die Hilfe des Herrschers und Heilers.
Und der Friede – Wassalaam!
War das Rezept mit dem Ringsiegel des Arztes versiegelt, am Anfangsowie am Ende des Textes, so hatte sein Besuch ein erfolgreiches Ende gefunden, und der Abschied verlief in beiderseitig ausgesprochener Hochachtung.
An den Sharif von Makkah,
Abd al-Muttalib bin Ghalib,
und an den Obersten Kadi,
Sheikh Jamal
In Kenntnis setzen möchte ich meine verehrten Brüder im Islam von unserer Untersuchung betreffs des britischen Offiziers Richard Francis Burton, der vor zwei Jahren die Hadj unternommen hat, mit der Absicht, wie wir vermuten, das Hijaz und die heiligen Stätten auszukundschaften. Anhand seiner detaillierten Beschreibungen ist es uns gelungen, einige der Männer ausfindig zu machen, die mit ihm gereist sind und viele Tage und Monate an seiner Seite verbracht haben, die ihn sogar in al-Madinah und al-Makkah, Gott möge sie erhöhen, in ihren Häusern empfangen und bewirtet haben. Wir beabsichtigen, diese Männer zu verhören, um Aufschluß über diesen Frevler zu erhalten. Wir können es uns nicht anders vorstellen, als daß Sie bei diesen Verhören anwesend sein möchten, und wir würden Ihre Weisheit als einen willkommenen Berater erachten.
gez. Abdullah Pascha,
Gouverneur von Djidda und dem Hijaz
In der Medizin erfuhr er beachtliche Bestätigung. Er arbeitete sich hoch, von Verstopfung zu Gallensteinen, er öffnete seinen ersten Abszeß, er erzielte Erfolge bei Schlafstörungen und Kreuzschmerzen. Dieser Sheikh Abdullah, hieß es bald, ist
Weitere Kostenlose Bücher