Der Wert des Blutes: Kriminalroman (German Edition)
würde. Es war das Zahnpastalächeln und der aufrichtige Blick eines Filmstars. Auf der Rückenlehne des Stuhls stand der Filmtitel.
Zeit des Flieders
. Und darunter der Name des Stars. Es war ein altes Foto, und die Kameras im Hintergrund schienen aus dem Goldenen Zeitalter des Kinos zu stammen, vielleicht sogar noch aus der Stummfilmzeit. Rechts im Bild stellte jemand eine Lampe auf einem massiven Stativ ein, ein Mann mit ausgebeulten Hosen, kariertem Hemd und einer Mütze, wie sie Jimmy Cagney in seinen alten Gangster filmen trug.
Ob Terry eine Cineastin war, die Erinnerungsstücke an alte Filme sammelte? Aber abgesehen von den drei gerahmten Filmplakaten und dem Foto gab es keine weiteren Memorabilien. Vielleicht war der Mann auf dem Foto ja ein Verwandter. Vielleicht ihr Vater? Nein, unmöglich – sie hieß ja Ferriman. Essei denn, sie hatte ihren Namen geändert. Wenn der Mann in den Zwanzigern war und das Bild aus, sagen wir, den Dreißigerjahren stammte, dann müsste er jetzt um die achtzig sein. Vielleicht der Großvater?
»Was guckst du denn da?«, fragte De’Aths Stimme hinter mir. Ich richtete mich auf. Meine Wirbelsäule knackte dabei. Das machte sie in letzter Zeit öfter. Ich tippte auf beginnende Arthritis.
»Das Foto«, sagte ich. »Vielleicht ein Verwandter?«
»Ja, kann sein. Wir sind hier fast fertig; nun komm mal in die Puschen!«
»Okay, gib mir bitte ein, zwei Minuten, ja?«
Über dem Bett lag ein dicker pfirsichfarbener Quilt und nur ein Kissen hatte eine Kuhle. Irgendwie war ich angenehm überrascht, dass Terry Ferriman anscheinend allein schlief. Ich folgte De’Ath ins Wohnzimmer zurück. Dort standen ein kleiner LED-Fernseher, eine Hi-Fi-Anlage, ein dreisitziges schwarzes Ledersofa und ein dazu passender Sessel. Ein grauer, unscheinbarer Kurzflorteppich und weiße, nackte Wände. Keine Bilder, keine Fotos. Es gab ein paar Bücher auf schwarzen Metallregalen, die sich eine ganze Wand entlangzogen, und schwarze Jalousien an den beiden Fenstern. Sie waren heruntergelassen, aber schräg gestellt, so dass Sonnenlinien einfielen und helle rechteckige Muster auf den Fußboden zeichneten. Ein Couchtisch aus schwarzem Metall mit Rauchglasplatte stand vor dem Sofa, darauf lagen ein paar Modezeitschriften. De’Ath hatte recht – da war nichts. Kein Messer mit Blutflecken, kein Haufen blutiger Kleider, kein Ratgeber
Erfolgreich morden für Dummies
. Ich konnte nachvollziehen, warum er so enttäuscht war.
Die Kochnische war weiß und makellos und wirkte vollkommen unbenutzt. Es gab einen Herd, eine Mikrowelle, eine kleine Kühlschrank-Gefrier-Kombi und eine Doppelspüle aus Edelstahl. Ferner gab es einen Toaster, einen Wasserkocher und einen Messerblock aus gebürstetem Holz, in dem Messer mit schwarzen Griffen steckten. Alles war blitzblank. Makellos. Als hätte sie dort nie gekocht.
De’Ath beobachtete mich, wie ich die sauberen weißen Flächen ansah. »Sieht so aus, als ob sie oft essen geht«, sagte er. »Im Kühl schrank gibts nur Wein und Sprudel.«
»Das ist doch nichts Besonderes«, sagte ich. »In meinem Kühlschrank findet man auch herzlich wenig Essbares.« Komisch, wie ich sie immer wieder in Schutz nehmen musste. »Hübsche Wohnung«, sagte ich.
»Ja, klein, aber fein«, sagte er. »Etwas klein für meinen Geschmack, aber eine junge Singlefrau dürfte sich hier ganz wohl fühlen.«
»Samuel, du weißt, dass ein Messer aus dem Block fehlt?«
»Ja«, sagte er. »Das ist uns aufgefallen.«
»Keine Zahnstocher«, sagte Filbin, der just aus dem Bad kam.
»Zahnstocher?«, fragte ich.
»Wir haben einen Zahnstocher in den Schnürsenkeln des Opfers gefunden«, erklärte Filbin. »Aber in seinen Taschen waren keine. Könnte also vom Täter stammen.«
Sie begleiteten mich in die Diele und Filbin schloss die Tür ab. Während wir auf den Lift warteten, fragte ich De’Ath, wohin er jetzt wollte.
»Ins Büro«, sagte er. »Wir warten noch auf den Bericht über das Opfer. Und ich will das Mädchen noch mal vernehmen.«
Der Lift kam und wir gingen hinein. »Kann ich mitkommen?«, fragte ich.
De’Ath zog die Brauen hoch. »Du zeigst ja ein ungewöhnliches Interesse an diesem Fall, Doc«, sagte er.
Ich zuckte mit den Achseln. »Sie fasziniert mich.«
»Mann, das ist ja widerlich«, lachte De’Ath. »Du könntest doch ihr Vater sein.« Er lachte und Filbin lachte mit.
»Ach Quatsch, Samuel. Sie ist nur zehn Jahr jünger als ich.«
Filbin schüttelte ungläubig den Kopf. »Das
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