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Der Wind über den Klippen

Der Wind über den Klippen

Titel: Der Wind über den Klippen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
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Kreuzkraut trotzte der Kälte. Der Wind wurde böiger, ich zog den Mantel enger um mich. Ich hatte mich an der kargen Landschaft längst satt gesehen, als die MS Knipan mit sieben Minuten Verspätung eintraf. Nachdem ich den Wagen auf die Fähre rangiert hatte, ging ich in den Salon auf dem Oberdeck, wo nur wenige Passagiere saßen, dem Dialekt nach Einheimische.
    Die Fähre tuckerte an kleinen roten Felsinseln vorbei nach Osten. Ich betrachtete die Leuchtturminsel im Norden und malte mir aus, wie die Herbststürme über ihre Klippen und die windgebeugten, kleinwüchsigen Erlen hinwegbrausten. Der Südwind brachte die Fähre zum Schaukeln, doch sie schob sich unbeirrt an dem Wall kleiner Inseln vorbei, hinter dem plötzlich das Dorf Degerby auftauchte. Zwischen den Seezeichen drehte die Fähre nach Nordosten bei. Offenbar lagen felsige Untiefen vor dem Dorf, denn die Fahrrinne war dicht markiert. Auf einer Klippe entdeckte ich ein Schwanenpaar, dessen Flügel in der Sonne aufleuchteten.
    Das Dorf schlängelte sich an der Küste entlang. Rote und hellgelbe Häuser, ein grauweißes Strandlokal. Im Hafen dümpelten ein paar Segelboote, ansonsten schien das Dorf im Winterschlaf zu liegen. Ich setzte mich in den Wagen. Die Besatzung musste gegen den Südwind ankämpfen, um die Fähre zu vertäuen.
    Die Fahrt durch Degerby dauerte etwa eine Minute. Im Dorf gab es ein Heimatmuseum, einen Laden, eine Poststelle, eine Bibliothek und eine bereits geschlossene Minigolf-Anlage, bei der ein Wegweiser zum Strandlokal stand. Die Kirche lag etwas außerhalb, Katrina Sjöberg hatte mir genaue Fahranweisungen gegeben.
    »Mein Haus ist schwer zu finden, aber am Dienstagvormittag bin ich in der Kirche von Föglö, um die Lieder für den Sonn-tagsgottesdienst zu üben. Der Weg ist gut ausgeschildert, treffen wir uns dort«, hatte sie gesagt. So nahm ich nun die direkt nach Osten führende Straße, bog zwei Kilometer hinter dem Dorf rechts ab und überquerte dann eine schmale Brücke, neben der verfroren aussehende Seeschwalben schwammen.
    Der Kirchturm war eine gute Landmarke, er war kilometerweit zu sehen. Ich ließ den Wagen auf dem Parkplatz stehen und stieg die kleine Anhöhe hinauf. Der offenbar frische Anstrich der Kirchentüren bildete einen eigenartigen Kontrast zu dem uralten grauroten Stein der Wände. Durch ein Tor betrat ich den Friedhof. Der erste Grabstein, den ich sah, trug den Namen Sjöberg. Ob Johan Erik Emanuel und Hilda Erika, die hier ruhten, mit Katrina und Mikke verwandt waren?
    Der Friedhof war ein kleines, offenes Feld, von moosbewach-senen Steinen und rostzerfressenen Kreuzen übersät. Manche Grabsteine zierte ein Anker oder ein Schiff, ein Zeichen, dass hier ein Kapitän oder Lotse begraben war. Der Haupteingang der Kirche war verriegelt. Also ging ich um das Gebäude herum, an einem drei Meter hohen Denkmal vorbei. Till minne av på
    havet omkomna – Zum Gedenken an die Opfer der See. Der rote Granit des Gedenksteins erinnerte an die Klippen von Rödskär, die Sonne ließ hier und da blutrote Streifen aufleuchten.
    Ich öffnete die Seitentür. Alte Steinkirchen hatten etwas Friedliches und Einladendes, ich besuchte sie gern, obwohl ich nicht einmal wusste, woran ich glaubte. Durch die Innentür gelangte ich in gleißende Helligkeit.
    Als Erstes sah ich das von der Decke hängende Votivschiff.
    Die Orgel spielte eine unbekannte Melodie. Ich wollte Katrinas Spiel nicht unterbrechen, sondern ging weiter in die Kirche hinein. Über dem Altar hing ein Gemälde mit der Aufschrift Hjälp mig Gud och Maria att allt jag börjar får ett gott slut –
    Gottvater und Maria helft, dass alles, was ich beginne, ein gutes Ende finde. Die ältesten Teile der Kirche stammten aus dem 14.
    Jahrhundert, aus der Zeit vor der Reformation, vielleicht erklärte das die Anrufung der Jungfrau, deren Namen ich trug. Als Kind hatte ich mich über den altmodischen Namen geärgert, den damals nur alte Frauen und die Töchter von Sektengläubigen trugen. In der Oberstufe war ich als Jungfrau Maria verspottet worden, obwohl mein Benehmen alles andere als jungfrauenhaft war. Ich hatte mich oft gefragt, warum meine Eltern als Agnos-tiker einen so unverkennbar christlichen Namen für mich gewählt hatten. Sie behaupteten, der einzige Grund sei, dass meine beiden Großmütter Maria hießen.
    Beim Altar stand ein Kerzenhalter, in dem einige dünne, erloschene Wachslichter steckten. Auf einer Bank an der Wand sah ich eine Schachtel mit Kerzen,

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