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Der Windsänger

Titel: Der Windsänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Nicholson
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Willum, der sich hinter ihnen näherte, bis er etwas sagte. 
    »O du süße Erde!«, rief er aus und blieb an der Stelle des Weges stehen, die den Kindern am nächsten war. 
    »Wäää-ääääääh – gulp!« 
    Mumpo verstummte plötzlich, allerdings nicht, weil Rettung nahte, sondern weil er Schlamm im Mund hatte. Alle drei Kinder versuchten die Köpfe zu drehen, es gelang ihnen jedoch nicht. 
    »Helfen Sie uns!«, rief Bowman und verschluckte sich am Schlamm. 
    »Das will ich meinen«, antwortete Willum. Wie alle Schlammmänner draußen auf dem See war er mit einem Seil ausgerüstet, das er mehrmals um seine rundliche Mitte gewickelt hatte. Er nahm es ab und warf es geschickt über die Seeoberfläche, so dass es in Reichweite der Kinder lag. »Fasst es«, sagte er. »Ganz langsam!« 
    Während die Kinder ihre Hände aus dem Schlamm zogen und auf das Seil zubewegten, entdeckte Willum ein Büschel Tixa, das direkt neben ihnen wuchs. Es war ein dickes Büschel mit breiten, reifen Blättern – die allerbeste Sorte. 
    »Die Blätter da«, sagte er. »Bringt die man mit, ja?« 
    Die Kinder strengten sich so sehr an das Seil zu erreichen, dass sie nur noch schneller sanken und im Schlamm zu ersticken drohten. Aber Willum war so aufgeregt wegen der Tixablätter, dass er daran gar nicht dachte. 
    »Die Blätter da«, wiederholte er und zeigte auf das Büschel. »Packt die mal.« 
    Bowman bekam das Seil schließlich zu fassen und zog so heftig daran, dass er Willum fast vom Weg herunterriss. Mit der anderen Hand gab er seiner Schwester Halt, bis sie selbst an das Seil herankam. Dann streckte Kestrel den Arm nach Mumpo aus, der den Tixapflanzen am nächsten war. 
    »Ziehen!«, rief Bowman, der merkte, dass sie schon wieder sanken. 
    »Das will ich meinen«, erwiderte Willum, zog jedoch nicht. »Holt man nur noch die Blätter da.« 
    Es war reiner Zufall, dass sich Mumpos Hand um die Tixapflanze schloss, während er nach dem Seil tastete. Sobald Willum sah, dass er sie festhielt, fing er an zu ziehen. Er legte sich das Seil über die Schulter und stampfte vornübergebeugt über den Weg wie ein Packesel. Wie bei allen Schlammmenschen waren auch seine kurzen, stämmigen Beine unglaublich kräftig und bald tauchten die Kinder Zentimeter um Zentimeter aus dem zähen Schlamm auf. 
    Prustend und japsend reckte Kestrel das Gesicht nach oben und schnappte nach Luft. Mumpo spuckte Schlamm aus und begann wieder zu heulen. Bowman bemühte sich keuchend und mit klopfendem Herzen, nicht darüber nachzudenken, was geschehen wäre, wenn der Schlammmann sie nicht gefunden hätte. 
    Als sie schließlich den festen Boden des Weges unter den Füßen spürten, sanken sie zusammen und blieben geschwächt vom Schock in einem schlammbedeckten Haufen liegen. Willum beugte sich über Mumpo und nahm ihm die Tixablätter aus der Hand. 
    »Das reicht man aus. Danke herzlich.« 
    Willum war äußerst zufrieden. Er brach die Spitze eines Blattes ab, wischte den Schlamm ab und steckte sie sich in den Mund. Die übrigen Blätter stopfte er in seine kleine Tasche. 
    Dann musterte er die Kinder, die er aus dem See gefischt hatte. Wer waren sie nur? Sicher keine Schlammkinder. Dafür waren sie viel zu dünn. Schlammmenschen würden auch nicht die Wege verlassen und ins Tiefe gehen, nicht ohne sich anzuseilen. Sie mussten von da oben kommen. 
    »Ich weiß, wer ihr seid«, sagte er zu ihnen. »Ihr seid Schmächtis.« 
    Sie folgten dem kleinen, dicken Schlammmann über die dunkle Oberfläche des Untersees auf Wegen, die nur er sehen konnte. Zu erschöpft, um Fragen zu stellen, trotteten sie im Gänsemarsch am Seil hinter ihm her. Ihre Beine taten weh, weil es anstrengend war, sie aus dem Schlamm zu ziehen, doch sie gingen immer weiter, bis durch die großen Löcher im Dach des Gewölbes die Dämmerung fiel. 
    Willum sang beim Gehen leise vor sich hin und kicherte ab und zu. Was für ein Glück, die Schmächtis zu finden!, dachte er. Da würde Jum aber Augen machen! Und er lachte laut auf, als er sich das vorstellte. 
    Willum war bei seiner Tixasuche an diesem Tag weit gelaufen, und als sie schließlich sein Zuhause erreichten, war es fast Nacht geworden. Es war so dunkel, dass die Kinder nichts mehr erkennen konnten und nur noch dem Zug des Seils folgten. Endlich blieb Willum stehen und verkündete mit einem zufriedenen Seufzen: »Es geht doch nichts über ein schönes Zuhause, was?« 
    Nichts, das konnte man wohl sagen: Außer einer

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