Der Windsänger
setzten sich Bowman, Kestrel und Mumpo an den Tisch und sahen mit Unbehagen auf den Eintopf. Sie hatten großen Hunger, doch das Essen ähnelte dem klumpigen Schlamm so sehr, dass sie zögerten etwas davon zu essen.
»Nusseintopf«, erklärte Jum ermutigend. Sie schob sich einen Löffel voll in den Mund, um ihnen zu zeigen, wie man es machte.
»Bitte, Madam«, fragte Bowman. »Welche Sorte Nüsse?«
»Na, Schlammnüsse natürlich«, antwortete Jum.
Mumpo fing an zu essen. Ihm schien es zu bekommen, also kostete Kestrel ebenfalls. Der Eintopf schmeckte überraschend gut – nach rauchigen Kartoffeln. Bald löffelten sie alle drei. Jum schaute ihnen zufrieden zu. Pollum schmiegte sich an die stämmigen Beine ihrer Mutter und flüsterte ihr zu: »Wer sind die, Mum?«
»Schmächtis. Sie leben da oben. Arme kleine Dinger.«
»Warum sind sie hier?«
»Sie sind geflüchtet. Weggelaufen.«
Das Essen gab den Kindern wieder neue Kraft und sie wollten wissen, wo sie sich genau befanden.
»Sind wir im Untersee?«, fragte Kestrel.
»Das weiß ich man nich«, antwortete Jum. »Unten sind wir, so viel ist klar. Wir sind alle unten.«
»Ist der Schlamm…? Ich meine, besteht er aus…?« Sie wusste nicht, wie sie diese Frage auf höfliche Art stellen sollte, deshalb versuchte sie es anders. »Der Schlamm riecht hier unten nicht so stark.«
»Riechen?«, wiederholte Jum. »Ich hoffe doch, dass er riecht. Das ist der Geruch der süßen, süßen Erde.«
»Ist das alles?«
»Alles? Ja, sicher, meine Kleine, das ist alles.«
Die Tante lachte am Feuer plötzlich leise auf. »Smotsch!«, rief sie. »Sie glauben, unser Schlamm ist Smotsch!«
»Ach, was«, entgegnete Jum. »Sie sind doch nicht blöd.«
»Frag sie«, bat die Tante. »Frag sie man einfach.«
»Ihr glaubt doch wohl nicht, unser Schlamm ist Smotsch, kleine Schmächtis?«
»Was ist Smotsch?«, fragte Bowman.
»Was Smotsch ist?« Jum war verdutzt. Pollum begann zu kichern. »Na ja – Smotsch halt.«
Nun mischte sich Willum in die Diskussion ein. »Na und – dann ist es man Smotsch«, sagte er. »Warum auch nich? Alles kommt in die süße Erde und verbessert den Geschmack. Ein einziger großer Eintopf, das is es.« Er tauchte die Schöpfkelle in den Eintopf und holte eine große Portion heraus. »Eines Tages werd ich meinen Körper zur Ruhe betten und die süße Erde wird ihn in sich aufnehmen, verwandeln und zurückgeben. Stört euch bloß nich am Smotsch, kleine Schmächtis. Wir sind alle Smotsch, wenn man es recht bedenkt. Wir sind alle ein Teil der süßen Erde.«
Er aß den Eintopf direkt von der Kelle. Jum sah ihm zu und nickte zustimmend.
»Manchmal überraschst du mich wirklich, Willum«, sagte sie.
Mumpo hatte zuerst aufgegessen und legte sich auf die Teppiche am Boden. Er rollte sich zusammen und schlief ein.
»So ist’s gut, kleiner Schmächti«, sagte Jum und deckte ihn mit einem anderen Teppich zu.
Bowman und Kestrel wollten sich ebenfalls schlafen legen, doch vorher wollten sie sich von der Schlammkruste befreien, von der sie überzogen waren.
»Bitte, Madam«, sagte Bowman, »wo kann ich mich waschen?«
»Ein Bad, wollt ihr ein Bad?«
»Ja, Madam.«
»Pollum! Lass man ein Bad ein!«
Pollum ging zum Feuer und holte den dampfenden Kessel herunter. Den schleppte sie zu einer runden Vertiefung an der Wand. Dort schüttete sie das heiße Wasser in einem dicken Schwall direkt auf die Erde. Es lief über die Seiten der Mulde und sammelte sich dann in einer seichten, dampfenden Pfütze am Boden.
»Wer geht zuerst?«, fragte Jum.
Bowman und Kestrel machten ein verblüfftes Gesicht.
»Zeig’s ihnen, Pollum«, rief die Tante. »Arme kleine Schmächtis.«
Es kam nicht oft vor, dass Pollum als Erste baden durfte, solange das Wasser noch frisch war, deshalb ließ sie es sich nicht zweimal sagen und sprang sofort hinein. Alle viere von sich gestreckt, legte sie sich auf den Rücken, wälzte sich immer wieder herum und bedeckte sich mit einer frischen, warmen Schlammschicht. Sie kicherte vergnügt, während sie sich zappelnd hin und her wand. Offensichtlich hatte sie viel Spaß dabei.
»Das reicht, Pollum. Lass man den Schmächtis noch was übrig.«
Bowman und Kestrel beteuerten, das sei sehr freundlich von ihnen, aber eigentlich seien sie jetzt viel zu müde zum Baden. Also machte Jum ihnen aus den Teppichen eine Art Bett zurecht, in dem sie sich wie Mumpo
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