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Der Winterpalast

Der Winterpalast

Titel: Der Winterpalast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Stachniak
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wurden, das tiefe Keller hatte. Große Körbe mit Hasen, Fasanen und Kapaunen wurden angeliefert, Fässer mit Wein und Bier abgeladen. Aus der Küche im Untergeschoss des Palasts wehte der Duft von Backwerk ins Zimmer, sobald man ein Fenster öffnete.
    Der Bankettsaal wurde auf Hochglanz gebracht. Alles musste makellos sein: Wenn an einem Stuhl ein bisschen Blattgold abgeplatzt war, wenn man irgendwo einen Riss in der Wandtäfelung entdeckte, wurde der Schaden sogleich behoben. Die Zofen verbrannten mit Parfüm getränkte Kügelchen, damit der ganze Saal nach Rosen duftete. Diener in Filzschuhen knieten auf dem riesigen Banketttisch und wachsten und polierten die Platte.
    In den Kirchen überall im Land beteten die Menschen für eine reibungslose Niederkunft der Großfürstin.
    »Ich möchte, dass Stanislaw dabei ist«, sagte Katharina.
    Ich hob die Augenbrauen.
    »Denk dir was aus«, befahl sie. »Wenn sie etwas von dir verlangt, tust du es doch auch, nicht?«
    »Er müsste sich verstecken.«
    »Dann versteckt er sich eben. Ich will nicht allein sein! Dieses Mal nicht!«
    Das Schlafzimmer, in dem die Geburt stattfinden sollte, war groß und zugig. Es war nicht schwer, die Kaiserin davon zu überzeugen, dass man einen Wandschirm brauchte, damit die Gebärende es wärmer hatte. Ein kleiner Verschlag neben dem Schlafzimmer ließ sich leicht zu einer Kammer für Stanislaw umfunktionieren. Sogar ein schmales Bett hatte dort Platz. In diesem Versteck hinter dem Wandschirm konnte Katharinas Geliebter sich aufhalten, um zu ihr zu kommen, sobald sie allein war.
     
    »Es geht los«, sagte ich zu Stanislaw am Abend des 29. November. Katharinas Wehen hatten eingesetzt, und ich war zur sächsischen Botschaft geeilt.
    An der Wand des Salons stellte August III ., Kurfürst von Sach
sen und König von Polen, stolz sein feistes Doppelkinn zur Schau. Stanislaw bekreuzigte sich und murmelte ein Stoßgebet.
    Seine ernsten schwarzen Augen sahen mich forschend an, als wüsste ich, was die nächsten Stunden bringen würden. Er trug ein goldenes Kettchen um den Hals. Das Medaillon oder was auch immer daran hängen mochte, war unter den Falten seines Hemds verborgen.
    »Bitte beeilen Sie sich«, sagte ich.
    Während er sich bereit machte, trat ich ans Fenster und lugte durch einen Spalt zwischen den Vorhängen. Auf der Straße fuhr mit klingelnden Glöckchen ein offener Schlitten vorbei. Mondlicht glitzerte auf frisch gefallenem Schnee. Ich musste daran denken, wie Igor einmal freudig Darja den ersten Schneeball des Winters gebracht hatte.
    Ich musste nicht lange warten. Stanislaw hatte in den letzten Tagen bereits die Sachen zurechtgelegt, die er brauchte, er musste nur noch ein paar Kleinigkeiten für Katharina zusammensuchen – Bücher, Papier und Federn, Riechsalz.
    »Sie ist stark und gesund«, sagte ich. »Und beim zweiten Mal ist es immer leichter.«
    Er warf mir einen dankbaren Blick zu, aber ich sah ihm an, dass er nicht wirklich beruhigt war.
    Wir fuhren zum Palast. Ich hob den Vorhang am Kutschenfenster und schaute hinaus auf die Straße. Ein Mann lief einem quiekenden Ferkel nach. An einem Kanal luden Muschiks in knielangen zottigen Schafspelzen große Ballen Wolle aus einem Lastkahn.
    »Ich wünschte, er wäre da«, sagte Stanislaw, als wir an der britischen Botschaft vorbeifuhren, deren braune Fassade von Laternen erhellt war.
    Vor einem Monat hatte Sir Charles alle Mittel erschöpft, seine Abreise weiter hinauszuschieben. Am Ende hatte er noch eine Krankheit vorgetäuscht, aber es hatte ihm nichts genutzt. Jetzt war er auf dem Weg zurück nach London. Es kamen keine Briefe von ihm.
    »Haben Sie ihn noch getroffen, bevor er abreiste?«, fragte ich Stanislaw.
    »Ja, aber nur ganz kurz.«
    »Ist er Ihnen irgendwie sonderbar vorgekommen?«
    »Sonderbar?« Er lachte. »Nein. Bedrückt, niedergeschlagen. Warum fragen Sie? Haben Sie bösartige Gerüchte über ihn gehört?«
    Die Kutsche schwankte. Man würde bald die Kufen montieren müssen, dachte ich. Ich zog die warme Decke aus Zobel höher.
    »Geredet wird immer«, sagte ich.
     
    Die Zofe, die mir die Tür öffnete, atmete erleichtert auf, als sie mich sah. »Die Großfürstin erwartet Sie schon ungeduldig. Sie hat alle Besucher abweisen lassen.«
    Nur eine einzige Kerze brannte. Unruhige Schatten huschten über die Wände. Katharina lag im Bett, die Beine angewinkelt.
    »Ist er da?«, fragte sie. Sie richtete den Oberkörper etwas auf und zuckte vor Schmerz zusammen. Die

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