Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
ihre Zulassungen wiederzubekommen. Doug Talbot winkte den Marsianern zu und wehrte kopfschüttelnd ab, als wollte er sagen: „Ach bitte, ihr macht mich ja ganz verlegen. Ich mache diesen Job nur aus Menschenliebe!" Aber ich hatte keinen Zweifel, dass sein fröhliches Personal-Mordkommando genau notierte, wer nicht laut genug klatschte.
Während Susan weiterlaberte, reckte ich den Kopf und schaute mich nach der gelockten Blondine um; sie saß mir genau gegenüber auf der anderen Seite des Kreises. Sie war wirklich klasse. Sie hatte weiche, engelhafte Gesichtszüge - nicht das fein ziselierte Modelgesicht der Herzogin, aber trotzdem schön.
Auf einmal sprangen die Marsianer wieder auf und Susan verbeugte sich verlegen. Dann schlappte sie zu Doug Talbot hinüber und umarmte ihn. Aber das war keine herzliche Umarmung, sie hielt mit ihrem Körper Abstand von ihm. Das war die Art, auf die die wenigen überlebenden Patienten von Dr. Mengele ihn wohl bei Versammlungen und ähnlichen Anlässen umarmt haben - eine Art Extremversion des Stockholm-Syndroms; die Geiseln verehren die Geiselnehmer.
Nun begann einer der Mitarbeiter zu labern. Diesmal stand ich ebenfalls auf, wenn die Marsianer aufstanden. Jeder fasste die Hand seines Nachbarn, also machte ich das auch.
Gemeinsam neigten wir die Köpfe und leierten das AA-Mantra herunter: „Gott gebe mir die Gelassenheit, die Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann; den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, den Unterschied zu erkennen." Jetzt begannen alle zu klatschen, also klatschte ich mit - nur diesmal klatschte ich ernsthaft. Schließlich ließ sich trotz des zynischen Bastards nicht leugnen, dass AA eine großartige Sache war und Millionen Menschen das Leben rettete.
An der Rückseite des Saals stand ein langer rechteckiger Tisch mit Kaffee, Gebäck und Kuchen. Auf dem Weg dahin hörte ich eine unbekannte Stimme brüllen: „Jordan! Jordan Belfort!" Ich drehte mich um und - heiliger Christus! - es war Doug Talbot. Er kam mit einem mächtigen Lächeln im teigigen Gesicht auf mich zu. Er war groß, etwa 1,85, schien aber nicht besonders fit zu sein. Er trug ein teuer aussehendes Sportsakko und graue Tweedhosen. Er winkte mich zu sich. In diesem Moment spürte ich, dass 105 Augenpaare so taten, als würden sie mich nicht anschauen - oder nein, eigentlich waren es 115, denn das Personal tat auch so.
Er streckte die Hand aus. „Endlich lernen wir uns kennen", sagte er und nickte vielsagend mit dem Kopf. „Es ist mir eine Freude. Willkommen in Talbot Marsh. Ich habe das Gefühl, wir sind verwandte Geister. Brad hat mir alles über Sie erzählt. Ich kann es gar nicht abwarten, die Geschichten zu hören. Ich habe selbst auch ein paar zu erzählen - aber mit Sicherheit keine so guten wie Sie." Ich lächelte und schüttelte meinem neuen Freund die Hand. „Ich habe von Ihnen auch schon viel gehört", sagte ich und unterdrückte den Drang, ironisch zu klingen. Er legte mir den Arm auf die Schulter. „Kommen Sie", sagte er warm, „gehen wir erst mal in mein Büro. Ich bringe Sie heute Nachmittag weg. Sie werden in eine der Wohnungen auf dem Hügel verlegt. Ich fahre Sie hin."
Und schon wusste ich, dass die Entziehungsanstalt ein ernstes Problem hatte. Der Besitzer - der unerreichbare, der einzige und einmalige Doug Talbot - war mein neuer bester Kumpel und alle Patienten und alle Mitarbeiter wussten das. Der Wolf war bereit, seine Krallen zu zeigen - sogar auf Entzug.
Doug Talbot entpuppte sich als ganz netter Kerl und wir tauschten eine gute Stunde lang Frontgeschichten aus. Ich lernte schon bald, dass so gut wie alle Süchtigen auf dem Weg der Besserung das morbide Bedürfnis haben, das Spiel „Wessen Sucht ist irrsinniger" zu spielen. Doug merkte natürlich schnell, dass er da ernstlich unterlegen war, und als ich zu der Stelle kam, wo ich meine Möbel mit einem Fleischermesser aufschlitzte, reichte es ihm.
Deshalb wechselte er das Thema und erklärte mir, dass er im Begriff stand, sein Unternehmen an die Börse zu bringen. Dann gab er mir ein paar Unterlagen, um zu demonstrieren, was für einen tollen Deal er bekam. Ich schaute sie pflichtbewusst durch, obwohl es mir schwerfiel, mich zu konzentrieren. Offensichtlich hatte in meinem Kopf auch im Hinblick auf die Wall Street etwas klick gemacht und ich empfand beim Durchsehen der Papiere nicht den sonst üblichen Rausch. Dann stiegen wir in seinen schwarzen Mercedes und er fuhr mich zu
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