Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
Das berauschte einen. Das verführte einen! Es befreite einen verflucht noch mal! Es half einem, Ziele zu erreichen, die man sich im Traum nicht zugetraut hätte! Und es fegte jeden weg, vor allem mich. Unter den 1.000 Seelen im Board Room war kaum ein lebendiger Mensch über 30; die meisten waren Anfang 20. Das war ein ansehnlicher Haufen, vor Eitelkeit strotzend, und die sexuelle Spannung war so greifbar, dass man sie regelrecht riechen konnte. Die Kleiderordnung für die Männer - die Jungs - bestand aus Maßanzug, weißem Frackhemd, Seidenkrawatte und massiv goldener Armbanduhr. Für die Frauen, die 1:10 in Unterzahl waren, galt ein scharfer Rock, tiefer Ausschnitt, Push-up-BH und Pfennigabsatz, je höher desto besser. Das war genau die Aufmachung, die laut den Personalrichtlinien von Stratton streng verboten war, die aber von der Unternehmensleitung (meiner Wenigkeit) massiv gefördert wurde.
Die Dinge waren derart aus dem Ruder gelaufen, dass die jungen Strattoniten ihrer Brunst unter Schreibtischen nachgingen, in Toiletten, in Garderobenschränken, in der Tiefgarage und natürlich im gläsernen Aufzug des Gebäudes. Um einen Anschein von Ordnung aufrecht zu erhalten, gaben wir schließlich ein Merkblatt über die Schaffung einer fickfreien Zeit zwischen 8:00 Uhr und 19:00 Uhr heraus. Oben auf dem Merkblatt standen genau diese Worte: „Fickfreie Zeit". Darunter waren zwei anatomisch korrekte Strichmännchen gezeichnet, die es auf Hundeart miteinander machten. Um die Strichmännchen war ein roter Kreis gezogen, durch den ein schräger Strich lief: ein Ghostbusters-Zeichen (bestimmt das erste der Wall Street). Aber leider nahm das niemand ernst.
Im Grunde war das auch gut so und es war auch absolut logisch. Alle waren jung und schön und sie nutzten den Augenblick. Nutze den Augenblick - genau dieses Unternehmensmantra loderte wie ein Feuer in den Herzen und Seelen der jungen Strattoniten und es vibrierte in den überaktiven Lustzentren aller 1.000 kaum postpubertären Gehirne.
Und wer hätte gegen ihren Erfolg etwas einwenden können? Da wurden gewaltige Summen verdient. Von einem Brokernovizen wurde erwartet, dass er im ersten Jahr 250.000 Dollar verdiente. Waren es weniger, war er suspekt. Im zweiten Jahr verdiente man 500.000 Dollar oder man galt als schlapp und wertlos. Und im dritten Jahr sollte man am besten eine Million verdienen, sonst wurde man verflucht noch mal ausgelacht. Und das war nur das Minimum; gute Leute machten das Dreifache.
Und von da aus sickerte der Reichtum nach unten. Vertriebsassistentinnen, die eigentlich nur bessere Sekretärinnen waren, verdienten 100.000 Dollar im Jahr. Sogar das Mädchen in der Telefonzentrale am Empfang bekam ein Jahresgehalt von 80.000 Dollar dafür, dass es Telefongespräche entgegennahm. Das stand dem guten alten Goldrausch in nichts nach und Lake Success war zur Boomtown geworden. Kindlich wie sie waren, bezeichneten die jungen Strattoniten die Stadt als Broker Disneyland. Jeder Einzelne wusste, dass er nie wieder so viel Geld verdienen würde, wenn er aus dem Vergnügungspark hinausfliegen würde. Und diese große Angst wohnte im Kopf jedes jungen Strattoniten - dass er eines Tages seinen Job verlieren würde. Was würde er dann tun? Denn wenn man ein junger Strattonit war, wurde schließlich von einem erwartet, dass man „das Leben" führte - dass man den tollsten Wagen fuhr, in den angesagtesten Restaurants aß, die größten Trinkgelder gab, die feinsten Kleider trug und in einer Villa an der fabelhaften Gold Coast von Long Island wohnte. Und sogar wenn man gerade erst anfing und noch nichts auf der Spule hatte, konnte man sich von jeder Bank Geld leihen, die wahnsinnig genug war, es einem zu geben - ohne Rücksicht auf den Zinssatz - und mit dem Leben anfangen, ob man nun bereit war oder nicht.
Das lief derart verquer, dass halbe Kinder mit Pubertätspickeln, die erst kürzlich mit der Rasierklinge Bekanntschaft geschlossen hatten, hingingen und sich Villen kauften. Manche waren noch so jung, dass sie gar nicht einzogen; sie fühlten sich wohler, wenn sie daheim bei ihren Eltern wohnten. Im Sommer mieteten sie großzügige Ferienhäuser in den Hamptons, mit beheiztem Swimmingpool und sensationeller Aussicht auf den Atlantik. An den Wochenenden feierten sie wilde und dermaßen dekadente Parties, dass sie regelmäßig von der Polizei aufgelöst wurden. Da spielten Bands, da legten DJs auf, da tanzten junge Stratton-Girls oben ohne; Stripper und
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