Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
erscheinen?" Aber vielleicht bildete ich mir das auch bloß ein und sie war nur gelangweilt. Auf jeden Fall stand Janets Schreibtisch direkt vor meiner Tür wie ein offensiver Lineman, der einen Quarterback schützt. Da gab es nichts. Zu den vielen Aufgaben Janets gehörte es auch, meine Torwächterin zu sein. Wenn man zu mir wollte oder auch nur mit mir sprechen wollte, musste man erst an Janet vorbei. Das war keine einfache Aufgabe. Sie beschützte mich wie eine Löwin ihre jungen und hatte kein Problem damit, ihren gerechten Zorn an jeder lebenden Seele auszulassen, die versuchte, den Fehdehandschuh aufzuheben.
Als Janet mich sah, setzte sie sofort ein herzliches Lächeln auf und ich betrachtete sie einen Augenblick. Sie war Ende 20, sah aber ein paar Jahre älter aus. Sie hatte dichtes braunes Haar, eine glatte, weiße Haut und einen strammen, kleinen Körper. Sie hatte schöne blaue Augen, aber in ihnen lag eine gewisse Traurigkeit, als hätten sie schon zu viel Herzeleid für einen so jungen Menschen gesehen. Vielleicht zog sich Janet für die Arbeit deshalb jeden Tag an wie der Tod. Ja, sie trug von Kopf bis Fuß immer Schwarz und heute war das nicht anders.
„Guten Morgen", sagte Janet mit einem strahlenden Lächeln und leicht genervtem Unterton. „Warum sind Sie so spät dran?" Ich lächelte meine ultraloyale Assistentin herzlich an. Trotz Janets Trauerkleidung und ihres unermüdlichen Drangs, jedes Quentchen privaten Klatsch über mich herauszufinden, fand ich ihren Anblick sehr angenehm. Sie war das Büro-Gegenstück zu Gwynne. Ob es nun darum ging, meine Rechnungen zu bezahlen, meine Brokerkonten zu verwalten, meinen Terminplan zu führen, meine Reisen zu organisieren, meine Nutten zu bezahlen, mich gegen störende Drogendealer abzuschirmen oder die Frau zu belügen, mit der ich gerade verheiratet war - keine Aufgabe war zu groß oder zu klein, als dass Janet nicht sofort gesprungen wäre und sie erledigt hätte. Sie war unglaublich kompetent und machte nie Fehler.
Janet war auch in Bayside aufgewachsen, aber ihre Eltern waren gestorben, als sie noch klein war. Ihre Mutter war eine gute Frau gewesen, aber ihr Vater war ein richtiger Lump und hatte sie geschlagen. Ich tat mein Bestes, ihr das Gefühl zu vermitteln, dass sie geliebt und gemocht wurde. Und ich beschützte sie genauso, wie sie mich beschützte.
Als Janet vor einen Monat geheiratet hatte, richtete ich ein prächtiges Hochzeitsfest aus und führte sie voller Stolz zum Altar. Sie trug ein schneeweißes Hochzeitskleid von Vera Wang - bezahlt von mir und ausgesucht von der Herzogin, die außerdem zwei Stunden damit verbrachte, Janet zu schminken (ja, die Herzogin war auch eine aufstrebende Visagistin). Und Janet sah absolut großartig aus.
„Guten Morgen", gab ich herzlich lächelnd zurück. „Das Büro klingt heute gut, oder?" Tonlos: „Es klingt immer gut, aber Sie haben mir nicht geantwortet. Warum kommen Sie so spät?" Sie war ein ganz schön aufdringliches Weibsbild und neugierig noch dazu. Ich seufzte tief und sagte: „Hat zufällig Nadine angerufen?" „Nein. Warum? Was ist passiert?" Das kam wie aus der Pistole geschossen. Anscheinend witterte sie saftigen Klatsch. „Nichts ist passiert, Janet. Ich bin spät heimgekommen, Nadine war angepisst und hat ein Glas Wasser auf mich geschüttet. Das war's; auch wenn es in Wirklichkeit drei Gläser waren, aber wer zählt da schon? Auf jeden Fall ist der Rest so sonderbar, dass man es in Worten nicht ausdrücken kann, aber ich muss ihr sofort Blumen schicken, sonst muss ich mich nach Frau Nummer 3 umschauen, bevor der Tag vorbei ist." „Wie viele soll ich schicken?", fragte sie, während sie einen Spiralblock und einen Montblanc-Füller nahm. „Ich weiß nicht ... für 3.000 oder 4.000. Sagen Sie, die sollen einfach den ganzen Scheißlaster schicken. Und machen Sie, dass sie viele Lilien mitschicken. Sie mag Lilien."
Janet zog die Augen zusammen und schürzte die Lippen, als wollte sie sagen: „Sie brechen unsere stillschweigende Übereinkunft, dass es zu meiner Entlohnung gehört, alle blutrünstigen Einzelheiten zu erfahren, egal wie blutrünstig!" Aber als pflichtbewusster Profi sagte sie nur: „Gut, Sie erzählen mir die Geschichte nachher." Ich nickte nicht sehr überzeugend. „Vielleicht, Janet, mal sehn. Also erzählen Sie mir mal, was es gibt." „Also - Steve Madden schwirrt hier irgendwo herum und er ist irgendwie ziemlich nervös. Ich glaube nicht, dass das heute
Weitere Kostenlose Bücher