Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
Nettojahreseinkommen von 1,2 Millionen Dollar. Er beschwor irgendeinen Unternehmensbesitzer namens Bill, der irgendwo in der Mitte Amerikas wohnte. Auf jedem Schreibtisch stand ein grauer Computer, über dessen Bildschirm grüne Zahlen und Buchstaben flimmerten und der den Strattoniten in Echtzeit Aktienkurse anzeigte. Aber darauf schaute kaum jemand. Sie waren zu sehr damit beschäftigt, heftig zu schwitzen und in schwarze Telefone zu brüllen, die aussahen wie Auberginen, die ihnen aus den Ohren wuchsen.
„Ich brauche eine Entscheidung - Bill! - ich brauche genau jetzt eine Entscheidung!", schnappte Bobby. „Steve Madden ist die heißeste Erstemission an der Wall Street, da gibt's überhaupt nichts zu überlegen! Bis heute Nachmittag ist das ein beschissener Dinosaurier!" Bobby war seit zwei Wochen wieder aus der Hazelden Clinic zurück und war schon wieder rückfällig. Seine Augen schienen regelrecht aus seinem roten irischen Schädel herauszuquellen. Man konnte buchstäblich die Kokainkristalle fühlen, die aus seinen Schweißdrüsen quollen. Es war 9:30 Uhr.
Ein junger Strattonit mit zurückgegeltem Haar, eckigem Kinn und einem Hals so groß wie Rhode Island war in die Hocke gegangen und versuchte, einem Klienten zu erklären, welche Vor- und Nachteile es hätte, seine Frau in den Entscheidungsprozess einzubeziehen. „Mit ihrer Frau reden? Nix da, verrückt oder was?" Ihm war kaum bewusst, dass sein New Yorker Akzent so stark war, dass er ziemlich dreckig klang. „Ich mein', redet Ihre Frau vielleicht auch mit Ihnen, wennse sich'n Paar neue Schuh' kaufen geht?" Drei Reihen dahinter stand ein junger Strattonit mit braunen Locken und akuter Pubertätsakne so steif da, als hätte er einen Stock verschluckt, und hatte den schwarzen Telefonhörer zwischen Wange und Schlüsselbein eingeklemmt. Er hatte die Arme wie Tragflächen ausgebreitet und unter den Achseln hatte er riesige Schweißflecken. Während er ins Telefon rief, nahm Anthony Gilberto, der Schneider der Firma, Maß für einen Anzug. Gilberto ging den ganzen Tag lang von Schreibtisch zu Schreibtisch, nahm von jungen Strattoniten Maß und machte ihnen dann Anzüge für 2.000 Dollar das Stück. Gerade legte der junge Strattonit den Kopf ganz nach hinten und streckte die Arme so weit er konnte, so als würde er gleich vom 10-Meter- Brett einen Schwalbensprung machen. Dann sagte er in einem Ton, als wäre er mit seinem Latein am Ende: „Himmel, tun Sie sich selbst einen Gefallen, Mr. Kilgore, und nehmen Sie 10.000 Aktien. Sie bringen mich hier noch um ... Sie bringen mich um. Ich meine, muss ich den ganzen Weg bis nach Texas fliegen, damit ich Ihnen den Arm umdrehen kann? Wenn's sein muss, dann mache ich das nämlich! "
„Welch eine Entschlossenheit!", dachte ich. Dieses Kind mit dem Pickelgesicht vertickte sogar noch beim Kleiderkauf Aktien! Mein Büro war am anderen Ende des Board Rooms, und während ich mir den Weg durch das wogende Menschenmeer bahnte, kam ich mir vor wie Moses in Cowboystiefeln. Broker wichen nach dieser und nach jener Seite aus, um mir den Weg frei zu machen. Jeder Broker, an dem ich vorbeikam, zwinkerte oder lächelte mir zu und zeigte damit seine Dankbarkeit für dieses kleine Stückchen Himmel auf Erden, das ich geschaffen hatte. Ja, das waren meine Leute. Sie kamen um Hoffnung, Liebe, Rat und Anleitung zu mir, und dabei war ich zehnmal so verrückt wie sie alle zusammen. Aber was wir alle gleichermaßen teilten, war die unsterbliche Liebe zu dem mächtigen Tosen. Wir konnten gar nicht genug davon bekommen.
„Heb endlich den scheiß Hörer ab, bitte! ", schrie eine kleine blonde Verkaufsassistentin.
„Du nimmst jetzt das beschissene Telefon ab! Das ist verflixt noch mal dein Job."
„Ich verlange nur einen Versuch!"
„- 20.000 zu achteinhalb -"
„- holen Sie sich 100.000 Aktien -"
„Die Aktie geht durch die Decke!"
„Um Himmels Willen, Steve Madden ist der heißeste Deal an der Wall Street!"
„Scheiß auf Merrill Lynch! Die Kakerlaken essen wir zum Frühstück."
„Ihr Broker vor Ort? Ich scheiße auf Ihren örtlichen Broker! Der liest bestimmt gerade das Wall StreetJournal von gestern!"
„ich habe 20.000 B-Warrants zu vier -"
„Scheißen Sie drauf, das ist ein Haufen Mist!"
„Ja, Sie mich auch, und das Stück Scheiße von VW, in dem Sie hergekommen sind, auch!"
Scheiße hier und Scheiße da! Das war die Sprache der Wall Street. Das war die Essenz des mächtigen Tosens und das ging durch alles durch.
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