Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
schüttelte ungläubig den Kopf: „Wo willst du denn so kurzfristig einen Liliputaner finden?" Ich schaute zu Andy Greene hinüber, dem dritten Insassen des Zimmers. „Was ist deine Meinung zu der Sache? Du bist der Firmenanwalt, du musst doch irgendetwas dazu zu sagen haben ... oder?" Andy nickte weise, als würde er die rechtlich angemessene Antwort abwägen. Er war ein alter und vertrauter Freund von mir und er war kürzlich zum Leiter der Abteilung Unternehmensfinanzierung von Stratton befördert worden. Seine Aufgabe bestand darin, die Dutzende von Geschäftsplänen zu durchforsten, die wir jeden Tag bekamen, und zu entscheiden, ob und welche es wert waren, an mich weitergegeben zu werden. Im Grunde war die Abteilung Unternehmensfinanzen eine Art Fabrik - sie lieferte Fertigwaren in Form von Aktien und Optionsscheinen von Börsengängen oder Erstemissionen, wie man an der Wall Street sagt.
Andy trug die übliche Stratton-Dienstkleidung - einen makellosen Gilberto-Anzug, weißes Hemd, Seidenkrawatte und in seinem Fall das schlechteste Toupet diesseits des Eisernen Vorhangs. In diesem Moment sah er aus, als hätte jemand den Schwanz eines abgehalfterten Esels genommen, ihn auf seinen eierköpfigen Judenschädel geschmissen, Schellack darüber geschüttet, eine Cornflakes-Schüssel in den Schellack gedrückt, eine zehn Kilo schwere Uranplatte darauf gelegt und eine Weile gewartet. Aus diesem Grund hatte Andy bei Stratton den offiziellen Spitznamen „Wigwam".
„Nun", sagte Wigwam, „versicherungstechnisch gesehen brauchen wir eine von dem Liliputaner unterzeichnete Verzichtserklärung und eine Art Haftungsfreistellung, dann glaube ich nicht, dass uns Verbindlichkeiten entstehen, wenn sich der Liliputaner den Hals bricht. Aber wir müssten alle Vorkehrungen treffen, die ein vernünftiger Mensch treffen würde, das ist in einer solchen Situation juristisch betrachtet ..."
Gott! Ich wollte keine beschissene juristische Analyse dieser Zwergenprügelei - ich wollte nur wissen, ob das für die Moral der Broker gut war! Deshalb schaltete ich ab, schaute mit einem Auge auf die grün leuchtenden Zahlen und Buchstaben, die über die Monitore auf beiden Seiten meines Schreibtischs flimmerten, und mit dem anderen Auge auf die Glasscheibe, die vom Boden bis zur Decke reichte und freie Sicht auf den Board Room bot.
Wigwam und ich kannten uns schon seit der Grundschule. Damals hatte er den schönsten blonden Haarschopf, den man je gesehen hat, so fein wie Seide. Aber schon an seinem 17. Geburtstag war sein wunderbares Haar nur noch eine ferne Erinnerung und es reichte kaum noch zum Kämmen. Mit der Aussicht vor Augen, schon in der Highschool glatzköpfig wie ein Adler zu sein, schloss sich Andy im Keller ein, rauchte 5.000 Joints mit billigem Gras aus Mexiko, spielte Videospiele, aß zum Frühstück, Mittagessen und Abendessen Tiefkühlpizza und wartete darauf, dass Mutter Natur ihren grausamen Scherz mit ihm trieb. Nach drei Jahren tauchte er als 50-jähriger verdrossener Jude mit ein paar Haarsträhnen, einem mächtigen Schmerbauch und einer neuen Persönlichkeit wieder aus dem Keller auf, die eine Mischung aus dem langweiligen 1-Ah aus Winnnie Puh und aus Henni Penni war, die dachte, der Himmel würde ihr auf den Kopf fallen. Nebenbei ließ sich Andy dabei erwischen, dass er bei den Prüfungen schummelte, und so war er gezwungen, im Hinterland des Staates New York ins Exil zu gehen, und zwar in das kleine Städtchen Fredonia, wo die Studenten der ortsansässigen Fredonia State University sogar im Sommer frieren müssen. Aber irgendwie schaffte er es, sich durch die strengen akademischen Anforderungen dieser anständigen Institution zu manövrieren und fünfeinhalb Jahre später seinen Abschluss zu machen - kein bisschen klüger, aber dafür noch viel ungepflegter. Von dort aus mogelte er sich irgendwie in eine Mickey-Mouse-Rechtsfakultät in Kalifornien und erwarb dort ein Diplom, das ungefähr so viel juristisches Gewicht hatte, als hätte er es aus einem Kaugummiautomaten.
Doch selbstverständlich waren solche Banalitäten in der Investmentbanking-Firma Stratton Oakmont kaum von Bedeutung. Dort zählten nur persönliche Beziehungen und Loyalität. Als Andrew Todd Greene alias Wigwam Wind von dem unglaublichen Erfolg bekam, der sich über seinen Kindheitsfreund ergossen hatte, kam er daher zu mir, schwor mir ewige Treue und sprang auf den Geldzug auf. Das war ein bisschen mehr als ein Jahr her. Seitdem hatte er in
Weitere Kostenlose Bücher