Der Wolf der Wall Street: Die Geschichte einer Wall-Street-Ikone (German Edition)
- hinterließ schriftliche Indizien, sozusagen eine papierne Fährte. Und außer wenn einen diese Fährte entlastete oder eine alternative Erklärung stützte, die einem glaubhafte Bestreitbarkeit verschaffte, hatte man früher oder später eine Klage am Hals.
Und so kam es, dass ich vorsichtig war. Von den ersten Tagen von Stratton Oakmont an wurde jeder Trade, den ich abschloss, jede Überweisung, die Janet für mich abwickelte und jeder fragwürdige Finanzierungsdeal, an dem ich mich beteiligt hatte, mit diversen Dokumenten und Zeitstempeln, sogar mit Einschreibesendungen verkleidet - oder garniert, wie man an der Wall Street sagt: Zusammen lieferten sie eine alternative Erklärung, die mich von kriminellen Handlungen entlastete. Der Wolf der Wall Street würde keinen Kopfschuss bekommen; ich würde nicht ins Fadenkreuz geraten. Al Abrams war ein guter Lehrer.
Aber jetzt saß Al im Gefängnis und wartete auf seine Verurteilung - wegen Geldwäsche. So vorsichtig er auch gewesen war - ein Gesetz hatte er missachtet, nämlich dass man Geld von Bankkonten immer in Beträgen abhebt, die knapp unter 10.000 Dollar liegen, damit kein Formular darüber an die Steuerbehörde IRS geht. Das Gesetz sollte eigentlich Drogendealern und Mafiosi einen Strich durch die Rechnung machen, aber es galt für alle US-Bürger. Und Al hatte mir noch etwas beigebracht: Wenn ich je einen Anruf von einem Geschäftspartner bekäme - von einem jetzigen oder einem früheren - und er würde versuchen, mit mir über frühere Geschäfte zu sprechen, dann bestünde eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass dieser Geschäftspartner mit den Behörden kooperierte. Und das schloss ihn ein. Als ich also einen Anruf von Al bekam und er mit seiner Piepsstimme die schicksalhaften Worte aussprach: „Erinnerst du dich noch, wie wir ...", da wusste ich, dass er in Schwierigkeiten steckte. Kurz danach rief mich einer von Als Anwälten an; er teilte mir mit, dass gegen Al Anklage erhoben wurde und dass er es sehr zu schätzen wüsste, wenn ich ihn aus allen Privatinvestitionen freikaufen würde, die wir zusammen besaßen. Seine Vermögenswerte waren eingefroren worden und ihm ging das Geld aus. Ohne zu zögern kaufte ich ihn zum fünffachen Marktpreis aus allem frei. Und dann betete ich. Ich betete, dass Al mich nicht verraten würde. Ich betete, dass Al die Verhöre durchstehen würde. Ich betete, dass er trotz seiner Kooperation alle verraten würde, nur mich nicht. Doch als ich bei einem der New Yorker Top-Anwälte für Strafsachen nachfragte, wurde mir gesagt, so etwas wie partielle Kooperation gebe es nicht; entweder man sagte gegen alle aus oder überhaupt nicht. Mir rutschte das Herz in die Hose. Was sollte ich machen, wenn Al gegen mich kooperierte? Das meiste Geld, das er von der Bank abgehoben hatte, war an mich gegangen. Er hatte mir irgendwann einmal erzählt, dass er im Juweliersbezirk ein paar Rattenlöcher hatte, für die er mit Erstemissionen Geld machte, und sie würden ihm dafür große Bargeldbeträge zurückgeben. Ich wäre aber nie auf die Idee gekommen, dass er Geld von der Bank holte. Dafür war er doch zu schlau, oder? Er war der vorsichtigste Mensch auf dem Planeten. Ein Fehler - mehr war nicht nötig.
Würde ich nun sein Schicksal teilen? Sollte die Schweiz meine einzige Dummheit werden? Fünf Jahre lang war ich unglaublich vorsichtig gewesen - ich bot dem FBI nie eine direkte Angriffsfläche. Ich sprach nie über die Vergangenheit; mein Haus und mein Büro wurden ständig nach Wanzen durchkämmt; ich dokumentierte alle Transaktionen, die ich machte, auf Papier, um glaubhafte Bestreitbarkeit zu schaffen; und ich hob nie kleine Beträge von der Bank ab. Ich hatte sogar von verschiedenen Banken zehn Millionen Dollar in Portionen von einer Viertelmillion oder mehr abgehoben, damit ich glaubhafte Bestreitbarkeit hatte, wenn ich einmal mit viel Bargeld erwischt wurde. Sollte mich das FBI je danach fragen, konnte ich einfach sagen:„ Fragen Sie bei meiner Bank nach, dann sehen Sie, dass mein Geld legal ist."
Also - ja, ich war vorsichtig gewesen. Aber mein guter Freund Al auch, mein erster Mentor, ein Mann, dem ich viel zu verdanken hatte. Und wenn sie sogar ihn erwischt hatten ... naja, dann standen die Chancen definitiv gegen mich.
Und das war die zweite dunkle Vorahnung des Tages. Doch in diesem Augenblick konnte ich noch nicht wissen, dass das nicht meine letzte sein würde.
Die Privatbank Union Bancaire Privee befindet sich
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